KringsBrief zur heutigen Verfassungsänderung

18.03.2025

Der alte Bundestag hat heute ein schwierige Entscheidung getroffen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute muss ich als Abgeordneter eine der schwierigsten, aber (im wahrsten Wortsinne) auch notwendigsten Entscheidungen im Deutschen Bundestag treffen.

Es geht um nichts weniger als die Änderung unseres Grundgesetzes mit zwei Regelungen, die Ausnahmen von der „Schuldenbremse“ im Grundgesetz darstellen. Diese Schuldenbremse habe ich vor über anderthalb Jahrzehnten als Mitglied der Föderalismuskommission II mit erarbeitet. Sie hat dazu geführt, dass unser Staat unter Führung einer CDU-Kanzlerin sehr lange sparsam gewirtschaftet hat. Leider hat sie aber auch zu zwei Problemen beigetragen:

Die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes wurde zu lange vernachlässigt. Daran hatte auch meine Partei ihren Anteil, vor allem hatten wir zu lange Zeit Koalitionspartner, die nicht bereit waren, einer deutlichen Vermehrung der Ausgaben für die Bundeswehr zuzustimmen. Das war bereits in Zeiten einer Verlässlichkeit im NATO-Bündnis nicht ohne Risiko. Dabei haben wir uns sicherlich auch zu sehr auf die USA verlassen. Seit die USA unter ihrem neuen Präsidenten aber die Bündnistreue und den gegenseitigen Beistand im Angriffsfall offen in Frage stellen, hat sich die Weltlage und haben sich die Anforderungen für unsere Sicherheitspolitik dramatisch verändert.

Diese Entwicklung begann mit den Wahlen in den USA am 6. November 2024. An diesem Tag wäre es Zeit gewesen für eine Bundesregierung, daraus die ersten Konsequenzen zu ziehen und dem Deutschen Bundestag Vorschläge etwa zur Aufbringung von mehr Finanzmitteln für unsere Bundeswehr vorzuschlagen. Die damalige Ampel-Regierung unter Olaf Scholz tat stattdessen just an diesem Tag etwas anderes: Sie zerbrach. Vorgezogene Neuwahlen waren die logische Folge. Aber auch in den Wochen bis zur Wahl und in den Tagen danach hat die Weltpolitik keine Pause eingelegt. Im Gegenteil: Die Zweifel an der Bündnistreue der US-Amerikaner sind unter Trump deutlich gewachsen und haben ihren (vorläufigen) Höhepunkt bei der inszenierten Herabwürdigung des ukrainischen Präsidenten im Weißen Haus erreicht. Nahezu in ganz Europa ist seitdem klar, dass wir deutlich mehr für unsere Verteidigung ausgeben müssen. Aber nur in Deutschland stehen dem verfassungsrechtliche Grenzen entgegen.

Aus dem Grunde hängt die Wiederherstellung unserer Verteidigungsfähigkeit nun davon ab, dass wir eine Anpassung bei der Schuldenbremse für das Thema Verteidigung vornehmen und damit einen Teil der Verteidigungsausgaben sowie der Ausgaben für unsere zivile Verteidigung (nämlich alles, was 1 % unseres Brutto-Inlands-Produkts übersteigt) von dieser Schuldenbremse ausnehmen. Genau das sehen wir nun in unserer Grundgesetz-Änderung vor.

Zugleich ist in Deutschland in den letzten Jahren ein Investitionsstau bei unserer Infrastruktur aufgelaufen. Marode Straßen und sanierungsbedürftige Brücken, aber auch Schulgebäude in schlechtem Zustand sind nur die augenfälligsten Beispiele. Ein Grund für diesen Investitions- und Sanierungsstau waren zu komplizierte und blockierte Genehmigungsfahren. Deshalb ist für uns auch ein Schwerpunkt bei den jetzt laufenden Koalitionsverhandlungen, diese Verfahren deutlich zu verschlanken und zu vereinfachen. Aber in dem Maße, in dem uns das gelingt, werden wir umso mehr Finanzmittel brauchen, um die nötigen Investitionen in den kommenden Jahren nachzuholen. Das wird auch wichtig sein, um damit zugleich mehr private Investitionen zu mobilisieren. Da sich Deutschland seit der Zeit der Ampel-Regierung in einer ernsten wirtschaftlichen Rezession befindet, brauchen wir diese öffentlichen Mittel auch, um wieder zu Wirtschaftswachstum zu kommen. In der deutschen Nachkriegsgeschichte war es immer die Bauwirtschaft, die in der Volkswirtschaft vorangegangen ist, um unser Land aus der Rezession zurück ins Wachstum zu führen.

Dass auch der Klimawandel eine ernste und reale Bedrohung für uns und künftige Generationen ist, wird niemand bestreiten. Deshalb halte ich es für richtig, dass in einem bestimmen Umfang ein Infrastruktur-Sondervermögen auch für klimaschützende Investitionen verwandt werden. Wichtig ist dabei, dass neue Schulden aufgrund der Grundgesetz-Änderung von Verfassungs wegen nur in Investitionen und nicht in den Staatskonsum fließen dürfen, weil das eben nicht generationengerecht wäre.

Auch als Verfassungsrechtler ist mir dabei wichtig zu betonen: Die geplante Ergänzung im Grundgesetz bedeutet gerade kein neues Staatsziel oder gar eine Einschränkung von Grundrechten oder von politischen Entscheidungsfreiheiten, sondern es geht lediglich darum, einem zu schaffenden Sondervermögen eine Zweckbestimmung zu geben. Die hierdurch ermöglichte Verschuldung darf - falls und soweit sie in Anspruch genommen werden wird - eben ausschließlich für Infrastruktur- und Klimaschutz-Investitionen bereitgestellt werden dürfen. Ansprüche oder selbständige Handlungspflichten für den Staat können daraus gerade nicht abgeleitet werden.

Aber bei allen guten und starken Argumenten für die Grundgesetz-Änderung in der Sache, fällt es auch mir schwer, diese Entscheidung nun so kurzfristig nach der Bundestagswahl und noch im „alten“ Bundestag zu treffen. Verfassungsrechtlich ist das zulässig, weil nach langjähriger Staatspraxis auch nach einer Bundestagswahl das alte Parlament noch etwa einen Monat im Amt bleibt und unser Grundgesetz auch keine parlamentslose Zeit kennt: Bis zum letzten Tag bleibt der Bundestag voll handlungsfähig. Und unser Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat im Wahlkampf auch von einer möglichen Reform der Schuldenbremse gesprochen. Aber für mich war die Reihenfolge immer ganz klar: zuerst Einsparungen im Haushalt des Bundes vornehmen und dann im zweiten Schritt die Schuldenbremse anpassen.

Nun passiert das genau umgekehrt. Das ist nicht gut. Aber es gibt einen wichtigen Grund dafür: Im neu gewählten Bundestag gibt es keine verfassungsändernde Mehrheit für eine sinnvolle Reform der Schuldenbremse mehr. Die Ränder ganz rechts und ganz links im Bundestag, AfD und Linke, haben mehr als ein Drittel der Bundestagssitze. Und beide Parteien fallen durch ihre Nähe zu Russland auf. Unser Ziel und eine schiere nationale Notwendigkeit ist, dass wir uns bei unserer Verteidigung wieder so stark aufstellen, dass Putin es nicht wagen wird, uns oder unsere europäischen Verbündeten anzugreifen. Nur durch eine glaubwürdige Abschreckung können wir sicherstellen, dass Deutschland eben nicht in einen Krieg verwickelt wird und wir unseren Frieden in Freiheit erhalten. Die Vorstellung, dass Putin- und Russland-Freunde in unserem Parlament es bewusst und gezielt werden hintertreiben können, dass wir diese Abschreckungswirkung wieder herstellen und unseren Frieden erhalten können, ist für mich nicht hinnehmbar.

Deshalb, und nur deshalb, müssen die notwendigen Öffnungen bei der Schuldenbremse nun noch vom 20. Deutschen Bundestag getroffen werden. Von AfD und Linke dürfen wir uns nicht erpressbar machen. Ich fürchte sogar, dass ohne die jetzige Reform bei einer sich weiter zuspitzenden weltpolitischen Lage der öffentliche Druck auf uns zunehmen könnte, für mehr Geld für die Bundeswehr eine Lösung mit den radikalen Linken im Bundestag herbeizuführen. Das würde aber bedeuten, dass die Schuldenbremse nicht nur durch den alten Bundestag zwei große Ausnahmen bekäme, sondern im neuen Bundestag ganz abgeschafft werden würde. Das wäre ungleich schlimmer als die jetzige Lösung, die jedenfalls sicherstellt, dass die Schuldenbremse für Ausgaben jenseits der Investitionen und der Verteidigungsfähigkeit weiter gilt.

Noch wichtiger als die heutige Grundgesetzgebung wird in den nächsten Monaten übrigens die Haushaltsgesetzgebung zu diesem Thema sein. Denn selbstverständlich führen die Grundgesetzänderung noch nicht dazu, dass auch nur ein Euro mehr ausgegeben wird. Dazu braucht es jeweils einen Haushaltsbeschluss des Deutschen Bundestages. Und hier wird es keine Entscheidungen ohne oder gar gegen uns geben können. Von daher werden und müssen wir demokratisch entscheiden, wofür diese Gelder ausgegeben werden können. Und das gilt auch für Ausgaben beim Thema Klimaschutz: Hier haben wir es parlamentarisch in der Hand, dass diese Maßnahmen mit wirtschaftlicher Vernunft ausgestaltet und ausgewählt werden. Und es ist hilfreich, dass dabei schon die Verfassung eine Einschränkung des Ausgabenzwecks festschreibt und die Verwendung etwa für soziale, konsumtive Ausgaben ausgeschlossen sind. 

Parallel zu den letzten Bundestagssitzungen der alten Wahlperiode laufen in diesen Tagen die Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Die drei wichtigsten Wahlkampfthemen für uns als CDU waren die Wirtschaftspolitik, die Migration und die innere Sicherheit. Zwei dieser drei zentralen Themen, Migration und Sicherheit, werden in der von mir für die CDU geleitetet Arbeitsgruppe 1 verhandelt. Ich setze mich in den aktuellen Verhandlungen mit ganzer Kraft dafür ein, was wir einen Politikwechsel bei Migration und Sicherheit hinbekommen - so wie die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger das will. Strengere und konsequentere Gesetze, Zurückweisungen an den Grenzen von Menschen ohne Anspruch auf Einreise nach Deutschland und Ordnung in der gesamten Migrationspolitik sind hier wichtige Stichworte.  Wenn wir das schaffen, und zugleich auch die äußere Sicherheit und unsere Wirtschaft (etwa durch Bürokratieabbau) stärken, können wir zeigen, dass sich die vorgezogenen Neuwahlen gelohnt haben und eine neue Bundesregierung für unser Land echte Verbesserungen herbeiführt. 

Herzliche Grüße

Ihr Günter Krings