KringsBrief vom 21. Oktober 2022

21.10.2022

In dieser Woche mit den Themen:
Energieunsicherheit, kein Blanko-Scheck für die Ampel-Koalition, fragwürdiges Ampel-Amnestiegesetz

 

KringsBrief vom 21. Oktober 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

dass Bundeskanzler Olaf Scholz die Richtlinienkompetenz anwenden musste, um das Chaos und den erbitterten Streit in der Ampel-Koalition über die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke zu beenden, zeigt den zerrissenen Zustand der Ampel nach elf Monaten Amtszeit. Herausgekommen ist nun eine minimale Laufzeitverlängerung der drei noch arbeitenden Kernkraftwerke, was vielleicht den Konflikt in der Koalition für den Moment beruhigt, aber nicht das Versorgungsproblem in Deutschland maßgeblich reduziert.

Die ausufernden Strompreise und eine nicht zu jedem Zeitpunkt gegebene Versorgungssicherheit sind nach wie vor eine große Gefahr für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und alle Verbraucher. Langfristig ist der konsequente Ausbau der Erneuerbaren Energien richtig, aber kurzfristig brauchen wir einen zeitlich begrenzten Weiterbetrieb zumindest der sich noch im Betrieb befindenden Kernkraftwerke in Deutschland. Statt der von Scholz gewollten dreieinhalb Monate braucht es aber eine wirkliche Laufzeitverlängerung bis 2024 sowie den Einsatz neuer Brennstäbe, damit die Kernkraftwerke auch bis dahin tatsächlich Strom liefern können, denn im nächsten April wird das Energieproblem nicht plötzlich gelöst sein. Die Ampel will lieber mehr und schneller klimaschädliche Braunkohle verfeuern lassen, mehr CO2-Emmissionen in Kauf nehmen oder gar Ölkraftwerke auf Schiffen in der Nordsee ans Netz bringen.  Auch in der Krise muss der Klimaschutz aber ernst genommen werden.

Dass die Ampel intern offenbar weiter streitet, zeigt übrigens die Tatsache, dass die Koalition nicht schon in der laufenden Sitzungswoche des Bundestages handelt, sondern das Thema offenbar auf November vertagen will und dann erst in den Bundestag einbringt. Das ist mir vollkommen unverständlich, wo doch gerade jetzt Stromkunden und die Kraftwerksbetreiber dringend Klarheit darüber brauchen, wie die Versorgung mit Strom im Winter gewährleistet werden soll.


Kein Blanko-Scheck für die Ampel-Koalition

Als Opposition haben wir bereits vor Monaten mehr Engagement und mehr Klarheit bei den Hilfsmaßnahmen von der Bundesregierung gefordert. Hier hilft es wenig, ziellos Geld auf das Problem zu werfen, ohne konkrete Maßnahmen vorzulegen. Trotzdem hat die Ampelkoalition heute das "Gesetz zur Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes zur Reaktivierung und Ertüchtigung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds" abschließend beraten und mit den Stimmen der Regierungskoalition beschlossen. Das Gesetz sieht vor, dass die Bundesregierung den für ganz andere Zwecke begründeten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) reaktiviert, um Maßnahmen zu finanzieren, von denen niemand weiß, wie diese konkret aussehen sollen. Um den Fonds zu befüllen, wird sie ein weiteres Mal die Schuldenbremse des Grundgesetzes mit Wirkung für eine unbestimmte Zeit außer Kraft setzen. Mit anderen Worten: Bevor klar ist, welche Maßnahmen konkret geplant sind und was sie kosten, soll der Bundestag pauschal einen Blankoscheck über 200 Mrd. Euro ausstellen. Richtig wäre es, Jahr für Jahr zu entscheiden, ob und in welchem Maße die Schuldenbremse wegen der Krise auszusetzen ist.

Um es klar zu sagen: Auch wir von der Union wollen spürbare Entlastungen für die Bürger und Unternehmen. Auch wir wollen eine Gaspreisbremse und werden dafür mit der Bundesregierung konstruktiv zusammenarbeiten. Aber einen Blankoscheck stellen wir nicht aus. Wir haben angesichts der explodierenden Energiepreise eine dezidiert konstruktive Haltung bezüglich gezielter und erforderlicher Entlastungen von Bürgern und Unternehmen eingenommen. Doch die Bundesregierung schweigt seit Wochen zur Ausgestaltung von Gaspreisbremse, Strompreisentlastungen, schnellen Unternehmenshilfen und Einmalzahlung im Dezember. Weiterhin ist völlig unklar, wie die Bundesregierung auf 200 Mrd. Euro kommt und wie sich diese konkret auf die einzelnen Maßnahmen verteilen. Der gewählte Finanzierungsweg widerspricht einer soliden Haushaltspolitik. Die Ampel hält an ihrer Strategie fest, in Krisenjahren beliebige Haushaltspolster anzulegen, um diese dann in den Folgejahren zu nutzen. An der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens bestehen daher auch seitens des Bundesrechnungshofes erhebliche Zweifel.

Stattdessen hätten wir ein konkretes und wirksames Entlastungskonzept inklusive solider Finanzierung erwartet. Hierzu gehört, dass der WSF bzw. dessen Wirtschaftsplan mit konkreten Maßnahmen und konkreten Zahlen hinterlegt werden muss. Das beinhaltet neben Gas- und Strompreisbremse auch, eine wirksame finanzielle Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen sicherzustellen. Außerdem wollen wir auf eine gesonderte Kreditermächtigung im WSF verzichten. Die notwendigen Mittel müssen über die Bundeshaushalte 2022 sowie 2023 und ggf. 2024 zugeführt werden. Und es muss ein konkreter und verbindlicher Tilgungsplan aufgestellt werden.

All das hätte im Sommer schon verbessert werden müssen, aber diese Punkte sind im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht aufgeführt. Im Ergebnis haben wir dem Gesetz daher nicht zugestimmt und werben umso nachdrücklicher für unsere eigenen Forderungen aus einem solide finanzierten Mix von Entlastung, Energieeinsparung und Energieangebotsausweitung. Leider ist unser entsprechend lautender Entschließungsantrag heute von der Ampelkoalition abgelehnt worden.


Fragwürdiges Ampel-Amnestiegesetz

Im Koalitionsvertrag hat die Ampel einen „Paradigmenwechsel“ in der Migrationspolitik angekündigt. Mit der 1. Lesung des Gesetzentwurfs zum sogenannten „Chancen-Aufenthaltsrecht“ in dieser Woche beginnt die parlamentarische Umsetzung. Vorweg: Wir von der Union sprechen konsequent vom „Ampel-Amnestiegesetz“.

Der Gesetzentwurf umfasst im Wesentlichen folgende Regelungen:
• Das Ampel-Amnestiegesetz: Die Ampel will einen neuen Aufenthaltstitel in § 104c des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) schaffen. Die Regelung betrifft Ausreisepflichtige, deren Abschiebung erfolgen muss, aber aus bestimmten Gründen nur vorübergehend ausgesetzt ist (sogenannte Geduldete). In der Regel handelt es sich um Menschen mit abgelehntem Asylantrag, die trotz Ausreisepflicht in Deutschland geblieben sind. Diese Personen sollen nach einem Aufenthalt in Deutschland von fünf Jahren – dabei zählt die Dauer des Asylverfahrens mit – eine einjährige Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ erhalten. Selbst dann, wenn sie bisher nicht an ihrer Identitätsklärung mitgewirkt und sich nicht in den Arbeitsmarkt integriert haben. Das Vorhaben ist eine Stichtagsregelung zum 1. Januar 2022. Das Aufenthaltsrecht kann sogar verlängert werden, wenn in dem Jahr bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.

• Absenkung der Voraussetzungen für die Aufenthaltstitel nach §§ 25a und b AufenthG: Schon bisher ermöglichen §§ 25a und b AufenthG langjährig geduldeten Personen sowie Jugendlichen und Heranwachsenden bei gewissen Integrationsleistungen eine Aufenthaltserlaubnis. Bisher müssen Erwachsene dafür seit acht Jahren (bzw. sechs Jahre, wenn Kinder im Haushalt leben) in Deutschland geduldet sein und Sprachkenntnisse und Einkommen nachweisen. Die Aufenthaltsdauer soll nun auf sechs Jahre (vier mit Kindern) abgesenkt werden. So schließt sich die Aufenthaltserlaubnis nach § 25b zukünftig nahtlos an das Ampel-Amnestiegesetz an.

• Jugendliche und Heranwachsende bis 21 Jahre können zudem nach geltendem Recht eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten, wenn sie für vier Jahre geduldet sind und gewisse Integrationserfordernisse erfüllen. Auch hier zählt die Zeit des Asylverfahrens mit. Zukünftig soll die Aufenthaltsgenehmigung bereits nach drei Jahren und zudem bis zu einem Alter von 27 Jahren (!) erteilt werden. Angesichts einer Asylverfahrensdauer (im Fall einer Klage) von durchschnittlich etwa zweieinhalb Jahren führt diese Änderung absehbar zu der paradoxen Situation, dass junge Asylbewerber kurz nach endgültiger Ablehnung ihres Asylantrags eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

• Bisher galt: Eine Aufenthaltserlaubnis gibt es grundsätzlich nur, wenn die Identität geklärt ist. Das will die Ampel nun ändern. In der Praxis würde das Ampel-Amnestiegesetz im Ergebnis oft Ausreisepflichtigen zugutekommen, die sich seit fünf Jahren mit ungeklärter Identität in Deutschland aufhalten.

Der Gesetzentwurf macht wieder einmal deutlich, dass die Migrationspolitik der Ampel die falschen Schwerpunkte setzt: Wir brauchen qualifizierte Einwanderung von Fachkräften und keine Amnestieregelungen für Ausreisepflichtige. Die von der Ampel geplanten Regelungen entwerten das Asylverfahren und stellen die Bedeutung staatlicher Entscheidungen grundsätzlich in Frage. Zukünftig wird es praktisch bedeutungslos sein, wie das Asylverfahren ausgeht: Am Ende steht fast immer ein Bleiberecht. Die Regelungen senden zudem ein fatales Signal an alle redlichen Migranten: Ehrlich sein lohnt sich nicht, am Ende erhalten auch Mitwirkungsverweigerer und Identitätstäuscher eine Ampel-Amnestie. Darüber hinaus setzt die Ampel völlig falsche Anreize, die im Ergebnis zu mehr irregulärer Migration nach Deutschland führen. Die Botschaft ist: Egal ob ein Asylgrund besteht, egal ob berufliche Qualifikationen bestehen – am Ende darf jeder bleiben. Ich frage mich: Wer wird bei diesen Regelungen überhaupt noch versuchen, ein Fachkräfte-Visum zu bekommen, wenn die illegale Einreise so attraktiv gemacht wird?

Der Konsens in der Mitte unserer Gesellschaft lautet bisher: Wir sind großzügig gegenüber Schutzbedürftigen und fördern qualifizierte Migration, wenn dies für unsere Volkswirtschaft dienlich ist. Wer aber ausreisepflichtig ist, muss unser Land verlassen. Die Ampel hat diesen Kompromiss aufgekündigt.

Herzliche Grüße

Ihr Günter Krings