KringsBrief vom 20. Januar 2023

20.01.2023

In dieser Woche mit den Themen:
Silvesterkrawalle, Kampfpanzer für die Ukraine, Nahrungsmittelversorgung sicherstellen, Bürokratieabbau fällt zurück

 

KringsBrief vom 20. Januar 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Erscheinen dieses KringsBriefes markiert das Ende der ersten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages im Jahr 2023. Den von uns allen erhoffte, friedvolle Start in ein neues Jahr spiegelte schon die Tagesordnung dieser Woche leider nicht wider. So haben wir uns als Parlament in Aktuellen Stunden nicht nur mit den Ausschreitungen in Lützerath beschäftigt, sondern auch mit den Silvesterkrawallen in Berlin und anderen deutschen Städten.

Besonders verwerflich finde ich bei den letztgenannten Krawallen die geplanten, systematischen und in dieser Form bisher nicht dagewesenen Angriffe auf Einsatzkräfte: Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste wurden von den Tätern nicht nur tätlich angegriffen, sondern auch mit Feuerwerk beschossen und systematisch in Hinterhalte gelockt. Ein Schwerpunkt der Ausschreitungen war – wieder einmal – Berlin. Unter den vorläufig Festgenommenen befand sich ein hoher Anteil von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder mit Migrationshintergrund. Das muss thematisiert werden, gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, dass sich der Großteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gesetzeskonform verhält und daher besonders unter den Ausschreitungen leidet.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst sind Helfer, die sich für die Menschen in unserem Land einsetzen. Wer sie angreift, greift die ganze Gesellschaft an. Angriffe auf Einsatzkräfte sind deshalb auch ein Ausdruck von fundamental mangelndem Respekt gegenüber dem deutschen Staat und den grundlegenden Regeln des Zusammenlebens in Deutschland.

Deshalb wollen wir einen starken Staat, der die Regeln des Rechtsstaats überall durchsetzt. Als Union haben wir in den letzten Jahren wichtige Weichenstellungen vorgenommen, die Sicherheitsbehörden umfassend personell gestärkt und u.a. 2017 das Strafmaß für Angriffe auf Rettungskräfte erhöht. Bei der Umsetzung sind aber in erster Linie die Länder gefragt. Das fängt im Kindergarten mit dem Erlernen des Einhaltens von Regeln an und setzt sich mit regelmäßiger und sichtbarer Polizeipräsenz in den Brennpunktvierteln fort. Das nützt dann allen dort lebenden und ganz überwiegend rechtstreuen Menschen.

Rechtsstaat durchsetzen heißt auch: Endlich Vollzugsdefizite bei Polizei und Justiz angehen. Gerade hier braucht es deutlich mehr Personal und klare Entscheidungen der Justiz, die den vom Gesetz gegebenen Rahmen auch nutzen. Ausstattung und Ausrüstung der Polizei müssen wir verbessern. Auch eine nochmalige Heraufsetzung des Strafrahmens bei Angriffen gegen Einsatzkräfte muss diskutiert werden. Stark muss der Staat auch bei echten Bildungs- und Integrationsangeboten sein. Dazu braucht es eine klare und offene Diskussion, was bei der Integration in manchen Städten schiefgelaufen ist. Wir müssen den Blick nach vorne richten und Lösungen suchen, wie wir diese Probleme in den Griff bekommen. Wir brauchen gute Bildungs- und Integrationsangebote, gerade in den Brennpunktvierteln. Das Land Berlin hat viele dieser Handlungsfelder in den letzten Jahren vernachlässigt. Ich verstehe daher, wenn sich viele Bürger hier bei den Abgeordnetenhauswahlen Mitte Februar eine neue, CDU-geführte Regierung wünschen.


Unterstützung der Ukraine durch Kampfpanzer

Das Thema, das auch in 2023 unverändert aktuell bleibt, ist der Krieg in der Ukraine. Der Beginn des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine jährt sich bald zum ersten Mal. Doch trotz großer Anstrengungen, einem massiven Aufgebot an Menschen und Material und einer Kriegsführung, die ohne Rücksicht auf das internationale Recht bewusst auf Kriegsverbrechen setzt, ist es Russland nicht gelungen, die Ukraine zu unterwerfen. Daran haben westliche Waffenlieferungen einen entscheidenden Anteil. Wenn die Ukraine weiter gegen die russische Aggression bestehen und die besetzten Gebiete befreien soll, benötigt sie weitere Unterstützung in Form wirtschaftlicher, humanitärer und militärischer Hilfen. Der Erfolg der Ukraine liegt im strategischen Interesse Deutschlands und Europas.

Der Bundeskanzler muss jetzt sicherheitspolitische Klarheit schaffen. Dazu gehört auch endlich die Lieferung von Kampfpanzern vom Typ Leopard. Dieser Schritt muss im Verbund mit unseren europäischen und transatlantischen Partnern geschehen. Doch der Bundeskanzler steht weiterhin auf der Bremse. Nur mit Waffenlieferungen auf qualitativ und quantitativ hohem Niveau kann die Ukraine in die Lage versetzt werden, sich auch weiterhin gegen die russische Aggression erfolgreich zu verteidigen. Die Bundesregierung muss nun proaktiv handeln, um den in den letzten Monaten angerichteten außen- und sicherheitspolitischen Flurschaden zu begrenzen. Die Bundestagsdebatte am Donnerstag hat klar gezeigt: Nur AfD, Linke und SPD sind bislang gegen diese Lieferungen. Wir in CDU und CSU halten diese ebenso notwendig wie Grüne und FDP. Die SPD ist in dieser Frage in ihrer eigenen Koalition isoliert. Ich hoffe, dass sie im Zuge der Ramstein-Konferenz endlich ihren Kurs ändert.

Der gestern vereidigte neue Verteidigungsminister Boris Pistorius hat wahrlich eine Mammutaufgabe vor sich, allen voran die Blockadehaltung seines Kanzlers aufzubrechen. Ich traue ihm das neue Amt grundsätzlich zu. Aus meiner Zusammenarbeit mit ihm in der Innenpolitik der letzten Jahre habe ich den Eindruck gewonnen, dass er zu pragmatischer und sachorientierter Arbeit bereit ist. Das muss er in seiner neuen Aufgabe jetzt aber auch beweisen.


Nahrungsmittelversorgung muss sichergestellt werden

Die die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie die Auswirkungen der Corona-Krise haben vielen Menschen vor Augen geführt, dass eine ausreichende Versorgung mit vielfältigen Lebensmitteln nicht selbstverständlich ist. Die Agrar- und Ernährungspolitik muss angesichts der weltweiten Nahrungsmittellage, die auch durch den Ukraine-Krieg negativ beeinflusst wird, neu ausgerichtet werden. Ziel muss sein, die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen. Pauschale Verbote oder Stilllegungen von Ackerflächen, wie sie Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir geplant hat, sind kontraproduktiv. Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten dürfen nicht stärker von Lebensmittelimporten abhängig werden. Denn die Versorgung mit Nahrungsmitteln, das konnten wir zum Beispiel in der Corona-Krise erleben, ist systemrelevant.

Der hohe Selbstversorgungsgrad bei landwirtschaftlichen Produkten in Deutschland und Europa ist nicht selbstverständlich. Aufgrund des trockenen Sommers 2022 liegt nach Schätzungen der EU-Kommission die EU-Getreideernte um fast acht Prozent unter dem Vorjahresergebnis und unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Im Süden Europas sehen wir bereits heute deutlich rückläufige Niederschlagsmengen, niedrigere Grundwasserstände und geringere Ernteerträge als vor wenigen Jahrzehnten.

Es ist für mich außerdem klar, wie wichtig es ist, sich nicht in eine komplette Abhängigkeit einzelner Staaten zu begeben. Vielmehr gilt es dafür zu sorgen, dass Deutschland und die Europäische Union sich so weit wie irgend möglich selbständig mit Nahrungsmitteln versorgen beziehungsweise auf vielfältige Lieferketten und Handelspartner setzen können. Durch nationale und europäische Auflagen, Flächenstilllegungen oder den Verzicht auf neue Technologien werden aber Rahmenbedingungen gesetzt, die dafür sorgen, dass landwirtschaftliche Produktion und Erträge in Deutschland und Europa zurückgehen werden. Deswegen muss die Ampel-Koalition die Ziele in der Landwirtschaftspolitik dringend auf eine wissenschaftliche Grundlage, verbunden mit einer umfassenden Folgenabschätzung für die Ernährungs- und Versorgungssicherheit, stellen, um auch künftig die Nahrungsmittelversorgung sicher zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten.


Ampel fällt bei Bürokratieabbau hinter Erreichtes zurück

Eine weitere Baustelle, bei der die Ampel-Koalition wertvolle Zeit verstreichen lässt, ist der Bürokratieabbau. Schon die Bilanz der letzten Jahre war hier für mich nicht zufriedenstellend. Jetzt wird es aber deutlich schlimmer. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) stellt der Ampel-Koalition für ihr erstes Jahr deshalb ein denkbar schlechtes Zwischenzeugnis aus: Die Bürokratiekosten für Unternehmen sind demnach um 63 Prozent gestiegen und der Bürokratieabbau kommt nicht voran. Diese verheerende Bilanz habe ich den Regierungsvertretern in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses vorgehalten.

Wenn man aber ein schlechtes Zwischenzeugnis bekommt, kann man entweder an der Verbesserung seiner Leistungen arbeiten oder versuchen, die Beurteilungsmaßstäbe zu verwässern. Die Koalition scheint sich für den zweiten Weg entscheiden zu wollen. Der NKR stellt nüchtern fest, dass durch Gesetze der Ampel der Erfüllungsaufwand für Unternehmen um satte 6,7 Milliarden Euro gestiegen ist. Auch wenn der größte Teil davon (5,6 Milliarden Euro) auf die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zurückzuführen sei, ‚geht der Trend in die falsche Richtung‘, so der NKR.

Statt nun aber daran zu arbeiten, die in Euro und Cent auf Bürger und Unternehmen durchschlagende bürokratische Belastung durch neue Ampelgesetze zu senken und den immensen Aufwuchs der letzten Monate durch Entlastungen anderswo auszugleichen, will die Bundesregierung künftig offenbar echte Kostenbelastungen gegen ‚gefühlten‘ Nutzen aufrechnen. Das wäre das Ende der objektiven Bürokratiekostenmessung durch den NKR. Hier droht die Schleifung des zentralen Instruments für den Bürokratieabbau.

Gute Gesetzgebung hat laut NKR auch mit der Einhaltung der Verfahrensregeln zu tun. Gut, dass andere Fraktionen und auch das Bundesjustizministerium die Kritik der Union an der Bundesregierung teilten, weil sie Auskünfte über die Einhaltung ihrer Gesetzgebungsregeln verweigert hatte mit der Begründung, dass die ‚Regelungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) und deren Umsetzung den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung‘ beträfen (BT Drucksache 20/4405). Das ist gerade bei längst abgeschlossenen Vorhaben, nach denen wir gefragt hatten, natürlich Unsinn und muss im Zweifel beim Bundesverfassungsgericht geklärt werden.

Herzliche Grüße

Ihr Günter Krings