KringsBrief vom 19.11.2021

19.11.2021

Sonderausgabe zur aktuellen Corona-Situation

KringsBrief vom 19. November 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

nur wenige von uns haben damit gerechnet, dass die vierte Corona-Welle uns mit dieser Wucht treffen wird. Bei einer 7-Tages-Inzidenz von über 340 am heutigen Freitag und zunehmend knappen Intensivkapazitäten deutschlandweit sind wir erneut an einem kritischen Punkt angelangt. Gestern allein infizierten sich 53.000 Menschen neu. 0,8 Prozent von ihnen werden nach der Statistik in 10 Tagen auf den Intensivstationen eintreffen, die bereits am Limit arbeiten. Schon jetzt müssen in mehr und mehr Regionen Patienten verlegt werden, weil in Krankenhäusern keine Kapazitäten mehr vorhanden sind. Operationen wegen anderer schwerwiegender Krankheiten müssen verschoben werden. Auch die explodierenden Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen finde ich besorgniserregend. Nun zählt jeder Tag und jede Maßnahme.

Es ist mir vor diesem Hintergrund schleierhaft, warum sich das neue Ampelbündnis so vehement für das Auslaufen der epidemischen Notlage von nationaler Tragweite einsetzt. Wann, wenn nicht jetzt, wäre dieser bewährte und rechtssichere Instrumentenkasten angebracht, um mit allen Mitteln der Pandemie entgegenzuwirken? Stattdessen hat die gestrige Debatte im Bundestagsplenum über die unterschiedlichen juristischen Auslegungen zum künftigen Umgang mit Veranstaltungen einen klaren Hinweis darauf gegeben, dass das Ampelgesetz am Ende wahrscheinlich von Gerichten ausgelegt werden muss. Der dafür nötige Zeitaufwand ist in der aktuellen Situation schlichtweg fahrlässig.


Die Impfung ist der Weg aus der Pandemie

Der Grundtenor fast aller Redebeiträge in der gestrigen Plenardebatte war: Impfen ist und bleibt gerade jetzt der Weg aus dieser Pandemie. Überall dort, wo sich viele Bürgerinnen und Bürger impfen lassen, kann sich das Virus weniger leicht verbreiten. Wer geimpft ist, hat einen deutlich höheren Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf und schützt zugleich auch andere besser vor einer Ansteckung. Trotz vieler Erfolge der Impfkampagne sind aber noch immer zu viele Menschen in Deutschland ungeimpft. Stand heute haben sich nur knapp 68% der Deutschen bisher impfen lassen. Die hohe Zahl der noch Ungeimpften erschwert und gefährdet eine nachhaltige, flächendeckende und langfristige Bewältigung des Infektionsgeschehens. So ist die Inzidenz bei Ungeimpften um ein Vielfaches höher als bei Geimpften. Und auch die Hospitalisierungsrate zeigt, dass es fast ausschließlich Ungeimpfte sind, die mit schweren Krankheitsverläufen auf eine intensivmedizinische Versorgung angewiesen sind.

Der Großteil der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land hat sich bereits impfen lassen. Diejenigen, die bisher zögern, müssen wir erreichen und von der Notwendigkeit eines Impfschutzes überzeugen. Und diejenigen, die schon einen Impfschutz haben, werden gemäß der gestrigen Empfehlung der Ständigen Impfkommission zusätzlich zeitnah eine Auffrischungsimpfung („Booster“) erhalten. Trotzdem sind neben dem Impfen bis zum Frühjahr weitere Schutzmaßnahmen erforderlich, um die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren und die Infektionsdynamik zu verlangsamen. Diese Maßnahmen sind gestern Nachmittag in einer Ministerpräsidentenkonferenz zusammen mit Bundeskanzlerin Merkel basierend auf dem im Vorfeld verabschiedeten Gesetz der Ampelkoalitionäre beschlossen worden.


Das neue Infektionsschutzgesetz

Der von der künftigen Ampelkoalition vorgelegte Gesetzentwurf hat ihren Ursprung in der fundamentalen Ablehnung der Corona-Maßnahmen aus der 19. WP. Deshalb hatte links-gelb in einer Pressekonferenz am 27. Oktober 2021 angekündigt, die epidemische Lage auslaufen lassen und zusätzlich die Handlungsmöglichkeiten der Länder massiv einschränken zu wollen. Dies hielten sie vor dem Hintergrund der verbesserten Impfsituation für angemessen. Seitdem hat sich allerdings die Lage bedrohlich verschärft, ohne dass es zu einem Einlenken oder Umdenken der künftigen Koalitionäre gekommen wäre.

Dank der Intervention der Unionsfraktion im Bundestag sowie der unionsgeführten Länder hat die Ampel den Gesetzentwurf seit der Einbringung deutlich nachgeschärft, so etwa durch die Einführung einer – wenn auch beschränkten – Öffnungsklausel für die Länder nach dem Ende der bundesweiten epidemischen Lage, durch die Einführung von 3G am Arbeitsplatz mit einer Auskunftspflicht des Arbeitnehmers, die Testverpflichtungen insbesondere in Alten- und Pflegeheimen, sowie der Möglichkeit, auch von Geimpften und Genesenen einen Testnachweis zu verlangen. Krankenhäuser, die Covid-Patienten behandeln, erhalten zur Unterstützung zukünftig einen Versorgungsaufschlag. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen soll es aber keine finanzielle Unterstützung für Krankenhäuser geben, die Kapazitäten freihalten für Non-Covid-Patienten zur Entlastung anderer Kliniken. Einig waren wir uns bei dem Punkt, dass es Ausgangssperren oder die Schließung von Schulen oder Kitas künftig nicht mehr geben soll.

Einige besonders schwerwiegende Eingriffsrechte wird den Ländern aber künftig vorenthalten: Dazu gehören beispielsweise Schließungen von Gaststätten, Hotels, Einschränkungen von Reisemöglichkeiten oder die Untersagungen von Sportveranstaltungen und überhaupt von Veranstaltungen. In all diesen Fällen sind den Ländern künftig nur noch Beschränkungen der Personenzahl, Pflichten zur Vorlage von 3G-Nachweisen, Hygienekonzepte oder Kontaktverfolgungen möglich. Die Schließung oder das Verbot ist hingegen nur noch bei Auftreten einer Infektion im Einzelfall durch die ohnehin schon überlasteten Gesundheitsämter möglich. Dies schränkt aus unserer Sicht eine schnelle und flexible Reaktion gerade auf regionale Infektionsgeschehen unangemessen ein.


Umsetzung in den Ländern

Mit 398 ihrer 416 Stimmen hat die künftige Ampelkoalition gestern ihren Gesetzesentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes in 2./3. Lesung verabschiedet. Darauf aufbauend sind dann die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit Bundeskanzlerin Merkel in einer Ministerpräsidentenkonferenz zusammengekommen, um über die konkrete Umsetzung der Schutzmaßnahmen zu verhandeln. Der Beschluss sieht vor, dass künftig nicht mehr die Infektionsrate, sondern vielmehr die Hospitalisierungsrate als richtungsweisender Faktor herangezogen wird. Da vor allem nicht geimpfte Menschen häufiger einen schweren Krankheitsverlauf haben und bei ihnen auch das Ansteckungsrisiko deutlich höher ist, sind hier besondere und zielgerichtete Maßnahmen notwendig und gerechtfertigt.

Konkret bedeutet das:  Wenn die Hospitalisierungsrate in dem jeweiligen Land den Schwellenwert 3 übersteigt – das ist die Zahl der in Kliniken aufgenommen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner in den vergangenen 7 Tagen – gilt in dem gesamten Land eine flächendeckende 2G-Regelung. Das bedeutet, dass etwa Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, Gastronomie, Hotels und körpernahe Dienstleistungen von Ungeimpften nicht mehr genutzt werden können. Übersteigt die Inzidenz den Schwellenwert 6, wird die Regelung auf 2G+ (Test trotz Geimpft- oder Genesenenstatus) hochgestuft. Bei einem Schwellenwert über 9 greift die sogenannte Länderöffnungsklausel, das heißt, die Länder können von weitergehenden Schutzmaßnahmen Gebrauch machen. Zur Orientierung: Heute liegt die Hospitalisierungsrate deutschlandweit bei 5,3. Spitzenreiter Thüringen verzeichnet jedoch eine Rate von über 17.

Weitere Beschlüsse der gestrigen MPK sind eine 3G-Regelung und die weitere Maskenpflicht im Zug- und öffentlichen Nahverkehr, eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz, tägliche Tests in Alten- und Pflegeheimen, gepaart mit Bonuszahlungen für Pflegekräfte, aber auch einem Auftrag an die Bundesregierung, eine Impfpflicht für Pflegeberufe auf den Weg zu bringen. Außerdem wird mit der Überbrückungshilfe III Plus besonders betroffenen Unternehmen auch über das Jahresende hinaus finanzielle Unterstützung angeboten. Um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern, soll die Kontrolldichte deutlich erhöht werden. Gleichzeitig werden die Angebote für kostenlose Bürgertests wieder deutlich zunehmen, ebenso wie die Angebote für die Erst- oder Auffrischungsimpfung. Und auch die Impfung für die 5-11jährigen soll nach der für Ende November erwarteten Zulassung ab Mitte Dezember deutlich vorangebracht werden.

Ob das gestern beschlossene Gesetz wirksam genug ist, um den derzeitigen Infektionstrend zu stoppen, wird sich zeigen. Wir von der CDU hätten es begrüßt, wenn es früher, wie mehrfach von Unionsseite angemahnt, zu einer Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten gekommen wäre, um zu einem Konsens über erforderliche Maßnahmen zu kommen. Das hat insbesondere die SPD verzögert. Wir sind - auch nach dem ungewöhnlichen Hilferuf der Länder, so zuletzt in dem Schreiben der B-Länder vom 16. November 2021 an Olaf Scholz sowie an den derzeit geschäftsführenden Regierenden Bürgermeister und Bundestagsabgeordneten Müller - davon überzeugt, dass die Länder dringend alle Handlungsmöglichkeiten brauchen, um der vierten Corona-Welle wirksam zu begegnen. Das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wäre aus unserer Sicht der effektivste Weg für die Länder gewesen, um schnell und entschieden zu handeln. Dennoch sind die gestern beschlossenen Maßnahmen besser als gar keine Maßnahmen. Demensprechend hat der Bundesrat dem Gesetz heute auch zugestimmt, sodass die Bund-Länder-Beschlüsse nun zügig umgesetzt werden können.

Herzliche Grüße und bleiben Sie gesund!

Ihr Günter Krings