KringsBrief vom 18. Oktober 2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Notwendigkeit einer umfassenden Krankenhausreform ist unstrittig. Überarbeitetes Personal, überbordende Bürokratie, teils mangelhafte Behandlungsqualität und finanzielle Nöte, die immer öfter zur Insolvenz führen, sind zu oft Alltag in vielen Krankenhäusern. Jedoch bietet Karl Lauterbachs Gesetzentwurf genau für diese Punkte keine Lösung. Die zukünftige Krankenhausstruktur muss die Qualität und die Versorgung vor Ort verbessern, statt sie zu gefährden.
Die Krankenhausreform der Ampel ist allerdings unausgereift und greift weit in Länderkompetenzen ein. Ohne eine geeignete Übergangsfinanzierung wird sie zu einem kalten Strukturwandel und damit zu einem Krankenhaussterben auch bei uns in Nordrhein-Westfalen führen. Vielerorts befinden sich Kliniken in wirtschaftlicher Not. Insolvenzen drohen, lange bevor eine Krankenhausreform wirken kann.
Als CDU/CSU-Fraktion halten wir sowohl Öffnungsklauseln als auch eine Übergangsfinanzierung für erforderlich, um den regional unterschiedlichen Bedingungen in der Krankenhauslandschaft gerecht zu werden. Außerdem fordern wir eine umfassende Bedarfs- sowie Auswirkungsanalyse, eine echte Einbindung von Kliniken und den Landesregierungen, um die Reform fundiert zu gestalten. Bundesgesundheitsminister Lauterbach setzt sich stattdessen über die Planungshoheit der Länder hinweg. Deshalb haben wir erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Zustimmungspflicht des Gesetzes, das in die grundgesetzlich garantierte Krankenhaus-Planungshoheit der Länder eingreift.
Auch die Finanzierung des Transformationsfonds, die hälftig aus GKV-Beitragsgeldern erfolgen soll, wäre führenden Experten zufolge rechtswidrig und wurde zuletzt auch vom Bundesrechnungshof gerügt. Wegen der hälftigen Finanzierung des Transformationsfonds durch die Gesetzlichen Krankenversicherungen befürchten wir zusätzlich noch stark steigende Kassenbeiträge, die sehr viele Menschen belasten werden. Auf einem derart brüchigen Fundament kann eine zukunftsfähige Krankenhausstruktur nicht geplant werden. Daher lehnen wir dieses Gesetz geschlossen ab.
Verbotsantrag gegen die AfD
Eine Reihe von Abgeordneten des Deutschen Bundestages bereitet zurzeit einen Gruppenantrag mit dem Ziel der Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) vor. Dazu zählt auch eine kleine Zahl von Abgeordneten meiner Fraktion. In unserer Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag haben wir ausführlich und sachlich über den avisierten Gruppenantrag diskutiert. Im Mittelpunkt stand hier die fundierte und ausführliche Abwägung der Rechtslage sowie des politischen Kontexts.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Partei dann verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Erreichen der von der Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Als CDU/CSU-Fraktion haben wir uns dazu entschieden, den Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD nicht zu übernehmen. Auch wenn es starke Anhaltspunkte für extremistische und verfassungsfeindliche Haltungen zumindest von Teilen der Partei gibt, halten wir einen Verbotsantrag zum jetzigen Zeitpunkt für juristisch nicht erfolgversprechend genug und politisch sogar für kontraproduktiv. Folgende Erwägungen waren für unsere Entscheidung handlungsleitend:
(1) Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind mit Blick auf die AfD – zumindest derzeit – voraussichtlich nicht erfüllt. Zwar führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Einschätzung bestätigt. Eine Einstufung als „Verdachtsfall“ ist aber nicht gleichzusetzen mit den – erheblich höheren – Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an das Verbot einer politischen Partei stellt. Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots (noch) nicht erfüllt sind und die Verfassungsschutzämter nicht über hinreichendes Beweismaterial für ein Verbotsverfahren verfügen.
(2) Das Verfahren zum Verbot einer politischen Partei dauert – selbst im Erfolgsfall – mehrere Jahre. Bei der NPD hat es vier Jahre gedauert. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall eines erfolgreichen Verbotsantrags könnte sich die AfD noch an der nächsten Bundestagswahl beteiligen und sich im Wahlkampf als „Opfer“ staatlicher Maßnahmen inszenieren und dadurch Vorteile verschaffen.
(3) Darüber hinaus fehlt dem Gruppenantrag die erforderliche Tatsachengrundlage in Form einer umfassenden Materialsammlung. Eine solche könnte nur durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz erstellt werden - erst auf einer solchen Grundlage kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. Überdies verlangt das Bundesverfassungsgericht, vor Einleitung eines Verbotsverfahrens „strikte Staatsfreiheit“ gegenüber der betroffenen Partei herzustellen. Das bedeutet: Die Begründung eines Verbotsantrages darf nicht auf Beweismaterialien gestützt werden, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine entsprechende Garantie vermag allerdings nur die Bundesregierung respektive die Landesregierungen zu geben. Sie allein vermögen deshalb einen überzeugenden Beweisantrag zu erarbeiten.
(4) Zudem müssen wir auch die möglichen Folgen eines denkbaren Scheiterns des Verbotsantrags bedenken: Die AfD erhielte faktisch ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“, eine verfassungsgemäße Partei zu sein – dieses Risiko einzugehen, halten wir für nicht vertretbar.
(5) Wir halten es für einen Trugschluss zu glauben, die Zustimmung zur AfD ließe sich „wegverbieten“. Die politischen Kräfte der demokratischen Mitte müssen die AfD stattdessen politisch und inhaltlich stellen. Wir wollen keine Symptombehandlung, sondern Ursachenbekämpfung: Die drängenden politischen Probleme Deutschlands müssen gelöst werden, um dem in der Bevölkerung weit verbreiteten Frust gerecht zu werden. Altbundespräsident Joachim Gauck bringt es auf den Punkt: Ein Verbotsverfahren würde „noch mehr Wut und noch mehr Radikalität erzeugen – und das wäre politisch schädlich“.
Da auf Bundesebene nur die Bundesregierung über einen Nachrichtendienst verfügt, aber eben nicht wir als Oppositionsfraktion, und wir die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse dringend brauchen, um die Erfolgsaussichten einschätzen zu können, tue ich mich sehr schwer, ein solches Verbotsverfahren zu fordern, ohne dass die Bundesregierung das ebenfalls unterstützt.
Das sogenannte „Sicherheitspaket“
Nach dem islamistischen Anschlag in Solingen am 23. August 2024 hatte sich die Bundesregierung auf ein sogenanntes „Sicherheitspaket“ verständigt. Dies war von Anfang an unzureichend, aber in der Ursprungsversion zumindest ein relevanter Schritt in die richtige Richtung. Mehr als einen Monat nach der ersten Lesung im Deutschen Bundestag und nach wochenlangem Streit haben sich die Ampel-Parteien nun auf weitere Verwässerungen der geplanten Maßnahmen verständigt. Die Abstriche haben insbesondere diese Folgen:
(1) Zusätzliche Datenschutz-Hürden für den biometrischen Datenabgleich. Nun gilt insbesondere: Der Abgleich darf nicht mehr bei schweren Straftaten vorgenommen werden, sondern erst bei besonders schweren Straftaten. Er gilt also für weniger Fälle und weniger Täter. Auch die Anwendung des Datenabgleichs zur Identifizierung von Asylsuchenden wird weiter erschwert.
(2) Der ohnehin schon beschränkte Leistungsausschluss für Dublin-Fälle wird weiter abgeschwächt. Viele Ausreisepflichtige werden weiterhin in Deutschland Sozialleistungen erhalten.
(3) Bei der Aberkennung des Schutzstatus bei Heimreisen von Asylsuchenden ins Herkunftsland bleiben ausdrücklich Ausnahmen möglich.
Die von den Koalitionsfraktionen zuletzt vereinbarten Änderungen schwächen das „Sicherheitspaket“ weiter und machen es weitgehend wirkungslos. Misstrauen gegen unsere Sicherheitsbehörden, Datenschutz-Bedenken und eine grundsätzlich verfehlte Migrationspolitik haben sich in der Ampel-Regierung erneut durchgesetzt. In der nun weitgehend entkernten Fassung bezeichnet es der Deutsche Richterbund zutreffend nur noch als „Mini-Päckchen“. Man kann über diese Ampel-Politik nur den Kopf schütteln. Zustimmen können wir dem jedenfalls nicht.
Unsere Kritik an diesem „Mini-Päckchen“ haben wir als CDU/CSU-Fraktion in dieser Sitzungswoche in zwei Entschließungsanträgen vorgebracht: Mit unserem Antrag „Ein umfassendes Sicherheitspaket jetzt beschließen“ fordern wir die schnelle Umsetzung eines echten und umfassenden Sicherheitspakets, das effektive Maßnahmen wie die Speicherung von IP-Adressen und den Einsatz von Gesichtserkennung beinhaltet. Zudem wollen wir das Problem der massenhaften illegalen Zuwanderung und die daraus entstehenden Folgeprobleme endlich wirksam angehen und erneuern in diesem Antrag unsere Forderung nach umfassenden Zurückweisungen auch von Asylsuchenden an den Grenzen zu unseren europäischen Nachbarstaaten.
Die im Koalitions-Paket enthaltenen Maßnahmen im Waffenrecht lehnen wir ab. Unsere Kritik legen wir in einem weiteren Entschließungsantrag dar. Abgesehen von einigen wenigen sinnvollen Änderungen – insbesondere erweiterte Kontrollbefugnisse der Bundespolizei – drängt sich der Eindruck auf: SPD und Grüne wollen den Anschlag von Solingen nutzen, um lang geplante Änderungen im Waffenrecht gegen die FDP durchzusetzen. Allerdings hätten die geplanten Änderungen die Terroranschläge von Mannheim und Solingen nicht verhindert. Die Ampel will den Gebrauch von Messern im Alltag für alle einschränken - wir wollen hingegen die Messertäter strafrechtlich strenger zur Verantwortung ziehen!
Vom parlamentarischen Verfahren her ist es skandalös, dass die Ampel-Fraktionen unsere sicherheits- und migrationspolitischen Anträge zunächst nicht einmal zur Abstimmung zulassen wollten. Das ist ein einmaliger, undemokratischer Vorgang, der die Grundfesten parlamentarischer Gepflogenheiten berührt. Das macht alles Gerede aus der Ampel über den notwendigen Schutz unserer Demokratie wenig glaubwürdig. Wir haben daher beharrlich gekämpft und unsere Minderheitenrechte im Deutschen Bundestag gegen diese willkürlichen Entscheidungen der Ampel-Mehrheit verteidigt. Über die Anträge wurde heute Vormittag in einer namentlichen Abstimmung entschieden.
Kein stilles Waffenembargo gegen Israel
Widerspruch zwischen wohlklingenden Sonntagsreden und den Alltagsreden der Ampel gibt es aber auch bei der Israel-Politik: Während die Bundesregierung 2023 noch Rüstungsgüter im Wert von 326,5 Millionen Euro nach Israel exportiert hat, waren es trotz der existenzbedrohenden Lage für die einzige Demokratie in der Region in diesem Jahr bis Mitte August nur Güter im Wert von 14,4 Millionen Euro. Selbst für dringend benötigte Ersatzteile wurden Exportgenehmigungen seit März nicht erteilt. Dabei ging die Verweigerung offensichtlich hauptsächlich vom Auswärtigen Amt sowie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aus. Dies kommt einem stillen Waffenembargo gleich. Aufgrund unserer Kenntnis sehr konkreter Fälle hatten wir in der vergangenen Woche in der „Vereinbarten Debatte“ zum Jahrestag des schrecklichen Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 deutliche Kritik an dieser Haltung der Bundesregierung geübt. Kurz darauf erteilte die Bundesregierung erste Genehmigungen für bislang blockierte Lieferungen von Verteidigungsgütern an Israel.
Die Vorwürfe gegen die Bundesregierung und besonders gegen die Bundesminister Baerbock und Habeck wiegen schwer. Wir fordern daher vollständige Transparenz und lückenlose Aufklärung zu den Beweggründen der Entscheidungsfindung der Bundesregierung und zur Grundhaltung der Bundesregierung zur Unterstützung von Israel.
Auch muss der Bundeskanzler die Frage beantworten, warum er in dieser die Grundfesten bundesdeutschen Handelns berührenden Frage nicht von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat.
Unsere historische Verantwortung und Solidarität dürfen sich nicht nur in Worten, sondern müssen sich in konkretem Handeln widerspiegeln. Israel muss die Unterstützung erhalten, die es in Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts benötigt. Die Verweigerung von Rüstungsexporten durch die Bundesregierung über mehr als ein halbes Jahr hat das Vertrauen Israels in die Bundesrepublik Deutschland nachhaltig beschädigt. Die Wege der Entscheidungsfindung müssen umfassend aufgearbeitet und notwendige Konsequenzen gezogen werden.
Herzliche Grüße
Ihr Günter Krings
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