KringsBrief vom 11. November 2022

11.11.2022

In dieser Woche mit den Themen:
Strafen für Straßenblockierer und Museumsrandalierer, Sondertribunal einrichten, sog. Bürgergeld-Gesetz, China-Politik

 

KringsBrief vom 11. November 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

breite Akzeptanz für die Bekämpfung des Klimawandels zu erzielen und die notwendige Aufmerksamkeit in der politischen Debatte zu schaffen, war in den vergangenen Jahren ein politischer Grundkonsens. Was jedoch als friedliche Demonstration begann, hat sich in Teilen der Klimabewegung in den vergangenen Wochen und Monaten zu einem radikalen und aggressiven Protest gewandelt, der kriminelle Mittel nicht scheut und dabei auch Leib und Leben von Menschen gefährdet. Selbst ernannte Klimaschützer kleben sich auf Straßen und Autobahnen, an bedeutende Werke unserer Kunst- und Kulturgeschichte. Historische Kunstwerke von überragendem Wert werden somit mutwillig beschädigt; unser nationales Kulturgut und auch Weltkulturerbe werden absichtlich angegriffen; durch Straßenblockaden werden Rettungskräfte bei der Bergung von Verletzten behindert.

Bei diesen Protesten geht es nicht mehr nur um politischen Aktivismus: Die Straßenblockierer und Kunstschänder erfüllen mit ihren Taten verschiedene Straftatbestände. Sie instrumentalisieren und schädigen dabei Tausende von Unbeteiligten. Wir müssen dieser Radikalisierung entschieden Einhalt gebieten. Denn Straftaten sind keine Form demokratischer Meinungsäußerung. Es bedarf einer klaren Antwort des Rechtsstaats. Dies betrifft insbesondere die Delikte der Nötigung, des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, des Behindern von Rettungskräften und der Gemeinschädlichen Sachbeschädigung. Es ist schon Ausdruck einer sehr merkwürdigen Logik, sich von solchen Attacken auf Menschen, Kunst und Kultur mehr Interesse für Klimaschutz zu erhoffen.

Den von mir mit verfassten Antrag habe ich am Donnerstag im Deutschen Bundestag vorgestellt und dabei betont: Die bisher verhängten Geldstrafen von 20-30 Tagessätzen entfalten nicht die erforderliche Abschreckungswirkung. Mit den von unserer Fraktion vorgeschlagenen Verschärfungen wollen wir dem entgegensteuern. Der Rechtsstaat muss auf diese Straftaten konsequent antworten. So wollen wir beispielsweise den Tatbestand der Behinderung von hilfeleistenden Personen insgesamt verschärfen, da die Störungen bei Hilfeleistungen – nicht nur durch das eigene Festkleben auf zentralen Straßen, sondern auch beispielsweise bei der Versorgung von Verunglückten durch Filmen an der Unglücksstelle oder Blockieren der Rettungsgasse - zugenommen haben. Auch ein guter Zweck heiligt keine kriminellen Mittel.


Einrichtung eines Sondertribunals zum russischen Krieg in der Ukraine

Gestern habe ich noch einen zweiten, von mir eingebrachten Antrag im Deutschen Bundestag vorgestellt: In der Debatte „Konsequente Reaktion des Rechtsstaats auf den russischen Angriffskrieg ermöglichen – Sondertribunal einrichten“ habe ich dafür plädiert, dass die internationale Gemeinschaft ein Sondertribunal einrichtet, um Putin und Russland für seinen Angriffskrieg zur Rechenschaft zu ziehen. Einer entsprechenden internationalen Initiative von Völkerrechtlern habe ich mich bereits im März angeschlossen.

Spätestens seit den Nürnberger Tribunalen von 1946 ist sich die Völkerrechtswissenschaft einig: Angriffskrieg ist ein Verbrechen. Ein solches Verbrechen der Aggression wird den russischen Machthabern richtigerweise zur Last gelegt. Allerdings hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) keine Kompetenzen, um dieses Verbrechen zu ahnden. Denn Russland wird mit seinem Veto immer verhindern können, dass der Sicherheitsrat den Strafgerichtshof zu einem solchen Gerichtsverfahren ermächtigt. Das können und das dürfen wir nicht hinnehmen!

Als Unionsfraktion fordern wir deshalb die Einrichtung eines internationalen Sondertribunals als funktionale Ergänzung zum Internationalen Strafgerichtshof, damit auch russische Verbrechen der Aggression untersucht und strafrechtlich verfolgt werden können. Als Oppositionsfraktion haben wir mit diesem Antrag zunächst gewartet, weil wir bis zuletzt gehofft haben, dass sich die Bundesregierung selbst an die Spitze der Bewegung gestellt hätte. Das hat sie leider auch innerhalb der Europäischen Union nicht getan. Wir halten dieses Abtauchen auch deshalb für fatal, weil unser Land historisch eine besondere Verantwortung hat, für die Durchsetzung des Völkerrechts einzutreten. Zwar begrüße ich es ausdrücklich, wenn Justizminister Buschmann eine Kooperation mit seinem ukrainischen Kollegen vereinbart. Aber wenn wir der Ukraine helfen wollen, die europäischen Rechtsstaats-Standards zu erreichen, dann sollten wir zugleich unsere Hausaufgaben machen, wenn es um die Durchsetzung des Völkerrechts geht.


Bürgergeld-Gesetz zum Scheitern verurteilt

Für diese Woche waren die Anhörung im Ausschuss sowie die 2./3. Lesung des sogenannten Bürgergeld-Gesetzes angesetzt. Wir als Unionsfraktion sind überzeugt, dass die Ampel-Regierung mit dem Gesetz einen nächsten Schritt hin zur schleichenden Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens geht. Wir hingegen wollen das Prinzip „Fordern und Fördern“ erhalten.

Zu unserem Unmut sind unsere Vorschläge bereits im Vorfeld nicht in Betracht gezogen worden: So wollten wir u.a. den Bundesrechnungshof als Sachverständigen in die Anhörung einladen, der ein ausgesprochen kritisches Gutachten zum geplanten Gesetz erstellt hat; diese Einladung hat die Ampelkoalition jedoch mit ihrer Mehrheit verhindert. Auch weitere mahnende Stimmen beispielsweise des Landkreistags, des Handwerks, des Städtetages, und nicht zuletzt der Bundesagentur für Arbeit wurden von der Ampel-Regierung nicht ernst genommen. Der halbherzige Änderungsantrag vom vergangenen Freitag von Seiten der Ampel schränkt zwar beispielsweise die Übernahme der Heizkosten in der geplanten zweijährigen Karenzzeit (auf „angemessene“ Kosten) ein, jedoch hat er keinerlei Verbesserungen hinsichtlich unserer wesentlichen Kritik vorgesehen.

Wir haben das Gesetz in seiner gestern im Bundestag verabschiedeten Form bei der Abstimmung abgelehnt. Da wir einen Bestandteil dieses Gesetzes, nämlich die Regelsatzerhöhung, in der aktuellen Entwicklung der Teuerungsrate und vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchaus für richtig halten, wollten wir mit einem eigenen Antrag dafür sorgen, dass die Regelsätze zum 1. Januar 2023 angehoben werden. Dies ist allerdings ebenfalls von der Ampel-Mehrheit abgelehnt worden. Wir werden aber weiter dafür kämpfen, dass die Anhebung der Regelsätze zur Bewältigung der gegenwärtigen Preissteigerungen im Januar 2023 die Leistungsbezieher entlastet. Alle sonstigen Vorhaben der Ampel zum sogenannten Bürgergeld müssen von dieser Erhöhung entkoppelt und erneut gesondert erörtert werden. Denn die von der Ampel angestrebten Änderungen setzen gerade in der aktuellen Arbeitsmarktsituation falsche Signale und Anreize. So können dem neuen Gesetz nach zum Beispiel jegliche Angebote zur Arbeitsaufnahme ohne Folgen abgelehnt werden, weil im ersten halben Jahr des Leistungsbezugs Pflichtverletzungen nicht zu Leistungsminderungen führen. Das und die überlangen Karenzzeiten sowie die Einführung hoher Schonvermögen sind der falsche Weg. Die Ampel lässt den Respekt vor denjenigen vermissen, die jeden Tag zur Arbeit erscheinen und unseren starken Sozialstaat überhaupt erst möglich machen. An allen Ecken und Enden fehlen Fach- und Arbeitskräfte. Die von der Koalition vorgeschlagenen Änderungen in der Grundsicherung setzen auch deshalb völlig falsche Anreize. Gerade jetzt ist der Zeitpunkt, alles dafür zu tun, um Menschen in Arbeit zu bringen. Unsere Kritik am sogenannten Bürgergeld-Gesetz in seiner aktuellen Form bleibt erhalten: Die Aussetzung der Sanktionen und die hohen Schonvermögen sind ein sozialpolitischer Systemwechsel. Das wird es mit uns nicht geben.

Die große Mehrzahl der Hartz IV-Empfänger hat eine Anpassung ihrer monatlichen Leistungen verdient. Indem die Ampel diesen Erhöhungsantrag abgelehnt hat, nimmt sie die große Mehrheit der Leistungsbezieher für ihre falschen Regelungen im Übrigen in Geiselhaft.


Mangelnde China-Strategie

Ich möchte noch ein paar Worte zu der gestrigen Aktuellen Stunde zu den Eckpfeilern der China-Politik der Bundesregierung schreiben:  Konkreten Anlass bietet die viel kritisierte Reisepolitik des Kanzleramts. Bundeskanzler Scholz war in der vergangenen Woche als erstes G7-Regierungsoberhaupt seit der Corona-Pandemie nach Peking gereist, offenbar ohne Abstimmung mit den europäischen Partnern. Im Vorfeld des Besuchs kam es u.a. wegen der Investitionspläne der chinesischen Firma COSCO am Hamburger Hafen, des Verlaufs des Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas sowie des aggressiven Auftretens Chinas gegenüber Taiwan zu deutlicher Kritik am Besuch von Bundeskanzler Scholz.

Die Biden-Administration befürchtet, dass China seine Ambitionen gegenüber Taiwan viel zügiger (auch mit militärischen Mitteln) realisieren könnte als bisher angenommen. Der kürzlich vorgelegte Bericht der VN-Menschenrechtskommissarin zeichnet ein düsteres Bild der Menschenrechtslage für ethnische Minderheiten. Nach der Machtkonsolidierung Xi Jinpings während des 20. Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas, stellen sich diese Fragen mit neuer Dringlichkeit – und die Bundesregierung hat darauf keinerlei Antworten.

Das Verhältnis zu China ist eine große strategische Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Sowohl im europäischen als auch im transatlantischen Bündnis muss Deutschland hier seine Naivität ablegen. Das Verhältnis zu China wird von ausgeprägtem politischem und ökonomischem Systemwettbewerb geprägt sein. Deutschland kann sich auf einen revisionistischen Staat wie die Volksrepublik China nicht blind verlassen. Eine immer weiter fortschreitende strategische Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft und v.a. kritischer Infrastruktur muss verhindert werden. Die Frage, wie sich Deutschland bei einer gewaltsamen Landnahme Taiwans verhalten würde, bleibt weiterhin unbeantwortet. Nach wie vor hat die Bundesregierung keine China-Strategie vorgelegt.

Der Bundeskanzler hat mit seiner Stippvisite in Peking Schaden angerichtet: Europäische und transatlantische Partner sind verwundert, Xi Jinping wurde in Szene gesetzt, Deutschland steht als Bittsteller da. Der Zeitenwende des Bundeskanzlers fehlt der strategische Weitblick nach Asien: China wird in den kommenden Jahrzehnten ein politischer und ökonomischer Wettbewerber sein. Deutsche Interessen schützt man nicht durch Verkäufe kritischer Infrastruktur wie am Hamburger Hafen. Die Bundesregierung muss nun endlich eine China-Strategie vorlegen, die Realismus an die Stelle von Naivität setzt.

Herzliche Grüße
Ihr Günter Krings