KringsBrief vom 10. Februar 2023

10.02.2023

Themen dieser Woche:
Wohnungsnot, gescheitertes Hinweisgeberschutzgesetz, Etikettenschwindel Infrastrukturbeschleunigungsgesetz, Chaos um 49€-Ticket

 

KringsBrief vom 10. Februar 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

bereits jetzt besteht in vielen Regionen Nordrhein-Westfalens ein erheblicher Mangel an Wohnraum. Bezahlbares Wohnen ist so eine wichtige soziale Frage, in vielen unseren Städten und inzwischen auch im ländlichen Raum, geworden. Die Ampel-Regierung hat ihr Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen – davon 100.000 Sozialwohnungen – bauen zu wollen, jedoch leider klar verfehlt. Wenn die Baupolitik der Ampel sich so fortsetzt, wird in dieser Legislaturperiode von den angekündigten 1,6 Millionen neuen Wohnungen nicht einmal die Hälfte gebaut. In einer aktuellen Stunde auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion haben wir in dieser Woche die Bundesbauministerin zur Rechenschaft gezogen.

Die Ampel-Regierung schafft es nicht, die offensichtlichen Probleme mit einer klaren und umsetzbaren Strategie anzugehen. Stattdessen trägt sie dazu bei, dass sich die Situation weiter verschlechtert. Sie stiftet Chaos bei den Förderprogrammen, stellt überzogene Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden und will die Mietpreisbremse nochmals verschärfen. Auch die Abschaffung bewährter Programme wie das Baukindergeld ist das falsche Signal in der Bau- und Familienpolitik. Bauherren und viele Familien werden dadurch verunsichert. Bauen und Investieren braucht aber vor allem eines: Planungssicherheit und Verlässlichkeit.

Nur mit mehr Wohnungsneubau schaffen wir den benötigten neuen Wohnraum. Dabei müssen wir alle Wohnformen fördern: Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser. Wir dürfen uns keine ideologischen Einschränkungen leisten, denn nur wenn wir alle Kräfte bei Bauherren und Unternehmen freisetzen und alle Wohnformen berücksichtigen, können wir den Wohnungsneubau in Schwung bringen.


Hinweisgeberschutzgesetz im Bundesrat gescheitert

Bereits im Dezember 2022 hat die Ampel im Bundestag ein Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, verabschiedet. Damit wurde verspätet eine EU-Richtlinie umgesetzt, doch was lange währt, wurde im Fall des Hinweisgeberschutzes nicht gut. Die Ampel hat sich für den Gesetzentwurf viel Zeit gelassen und ihn dann kurzfristig nochmals deutlich zulasten der Wirtschaft geändert. Gerade auf kleine und mittelständische Unternehmen kamen damit neue bürokratische Belastungen und zusätzliche Kosten zu. Rund 90.000 Unternehmen (das sind alle mit mindestens 50 Beschäftigten) werden verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten. Daneben blieben viele unklare Formulierungen und offene Fragen. Der Hinweisgeberschutz in Deutschland ist damit weder ausgewogen noch rechtssicher. Unsere Einwände wurden allerdings weder gehört noch berücksichtigt.

In der heutigen Bundesratssitzung wurde das Gesetz nun folgerichtig von der Mehrheit der Ländervertreter abgelehnt. Dies ist die logische Konsequenz aus der Ignoranz der Regierungsfraktionen bei diesem Gesetz. Die in der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses und die von Unternehmen geäußerte Kritik wurden von der Ampel offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Hinweisgeber erfüllen in Unternehmen und Verwaltungen wichtige Aufgaben. Sie sind daher schützenswert. Dies darf aber nicht dazu führen, dass Unternehmen unnötig bürokratisch belastet werden. Das im Gesetz vorgesehene freie Wahlrecht zwischen einer Meldung an eine interne oder an eine externe Meldestelle geht über die europarechtliche Vorgabe hinaus. Die Richtlinie ordnet richtigerweise an, dass die Meldung über interne Meldekanäle in den Fällen bevorzugt werden soll, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befürchtet. Durch eine interne Meldung werden Missstände oftmals schneller und effektiver beseitigt. Schon deshalb muss dieser Weg bevorzugt werden. Vor allem widerspricht es jedem Gerechtigkeitsempfinden, wenn dieses Gesetz im Ergebnis auch Personen schützt, denen es nicht um die Aufklärung von Rechtsbrüchen geht, sondern die ihren Kollegen und Chefs nur durch falsche Behauptungen schaden wollen.


Etikettenschwindel Infrastrukturbeschleunigungsgesetz

Gestern wurde in abschließender zweiter und dritter Lesung der Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich beraten und gegen unsere Einwände mit den Stimmen der Ampel verabschiedet. Auch dieser Entwurf wurde im Rechtsausschuss, in dem ich die Arbeit meiner CDU/CSU-Fraktion koordiniere, bearbeitet. Vorab: Verwaltungsgerichtliche Verfahren über besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben können aufgrund ihrer Komplexität und der sich in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ergebenden Schwierigkeiten lange dauern. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die Verfahrensdauer für diese Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung zu reduzieren, ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen. Wir begrüßen grundsätzlich eine Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben. Ob dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingen wird, muss aber bezweifelt werden.

Mit dem Infrastrukturbeschleunigungsgesetz betreibt die Ampel nämlich Etikettenschwindel. Der Titel hält nicht das, was er verspricht. Im Verwaltungsprozessrecht, wo das Regierungsgesetz ansetzt, sind die Beschleunigungspotenziale zum einen weitgehend gehoben. Eine wirklich effektive Verbesserung wäre hier nur noch über eine echte Reform des einstweiligen Rechtsschutzes möglich, damit der Vorhabenträger ermutigt wird, frühzeitig mit der Realisierung des Projektes zu beginnen. Das lehnt die Ampel aber ab.

Darüber hinaus liegt viel mehr Beschleunigungspotential im Planungsverfahren, also im Stadium vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Hier muss die Ampel dringend  ihre Selbstblockade lösen und ihre eigenen Entscheidungsprozesse beschleunigen. Es ergibt keinen Sinn, das Planungsrecht zu moralisieren und zwischen schlechten und guten Infrastrukturprojekten zu unterscheiden. 

Neben Änderungen im Bundesrecht besteht auch im föderalen und internationalen Verbund dringender Handlungsbedarf. Nötig ist zum einen ein Pakt für das Planungsrecht zwischen Bund und Ländern, der sowohl die Planungsbehörden als auch die Verwaltungsgerichte mit den erforderlichen Ressourcen ausstattet. Die Bundesregierung muss sich zum anderen innerhalb der Europäischen Union und innerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft für die Anpassung und Aussetzung von verwaltungsgerichtlichen Standardvorgaben, die Planungsabläufe verzögern, nachdrücklich einzusetzen.


Völliges Chaos beim 49-Euro-Ticket

Noch ein gut gemeintes, aber sehr schlecht gemachtes Ampel-Gesetz haben wir diese Woche im Bundestag diskutiert: Nach etlichen Anläufen und Terminverschiebungen scheint jetzt der Starttermin für das 49-Euro-Ticket festzustehen. Das war allerdings auch die einzig gute Nachricht. Immer noch sind viele Punkte ungeklärt. Die Ampel schafft mit dem 49-Euro-Ticket ein großes Haushaltsrisiko für den Bund mit enormen Unsicherheiten für die Zukunft. Schon heute ist klar, dass die ursprünglich veranschlagten jährlichen 3 Milliarden Euro von Bund und Ländern niemals reichen werden.

Das 49-Euro-Ticket ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Ampel-Regierung arbeitet: Chaos geht vor Ordnung, Oberflächlichkeit geht vor Genauigkeit, Ideologie geht vor Vernunft. Bevor man viel Geld für ein Ticket ausgibt, das mehr Menschen in Bahn und Bus bringen soll, muss man doch erst einmal dafür sorgen, dass diese überhaupt fahren. Der Topf für den Erhalt und den Ausbau der nötigen Infrastruktur schrumpft aber durch das 49-Euro-Ticket massiv. Verkehrsminister Wissing macht mit dem 49-Euro-Ticket den dritten Schritt vor dem ersten.

Die Strategie müsste stattdessen lauten: Bestand sichern, Ausbau vorantreiben und danach Kundenzahl steigern. Und nicht genug: Herr Wissing schiebt die Verantwortung für sein auserkorenes Lieblingsprojekt komplett auf die Kommunen ab und lässt sie damit alleine. Diese müssen die Beschlüsse nicht nur mit der Brechstange umsetzen, sondern sie tappen auch finanziell im Dunkeln. Die Finanzierung des Tickets ist nur für 2023 geklärt, ab 2024 ist sie eine Black Box. Wenn es dumm läuft, wird das Ticket ab dem nächsten Jahr viel teurer und damit zur Mogelpackung für die Kunden.

Ebenfalls skandalös: Eigenwirtschaftliche Verkehre, die von den Ticketeinnahmen leben und einen großen Teil des ÖPNV im ländlichen Raum anbieten, werden in die Insolvenz getrieben. Sie werden beim 49-Euro-Ticket komplett ignoriert und bekommen wegfallende Einnahmen nicht ausgeglichen. Das alles wird Herrn Wissing und vor allem unserem ÖPNV im ländlichen Raum auf die Füße fallen.

Ich bin sehr für ein bezahlbares Nahverkehrsticket – aber es nützt den Menschen und dem Klima wenig, wenn am Ende kein Zug und kein Bus fährt, mit dem wir es sinnvoll nutzen können.

Herzliche Grüße
Ihr Günter Krings