
Worum geht es eigentlich am 26. Mai? Es geht um die Wahl zum Europäischen Parlament, werden Sie zu Recht erwidern. Wie zuletzt vor fünf Jahren. Und dennoch spüren wir, dass sich die Zeiten geändert haben. Kriege im arabischen Raum mit Flüchtlingsströmen als Folge, eine immer autokratischer werdende Türkei und die russische Aggression in der Ukraine fordern Europa vor seiner Haustür heraus. Die Außenpolitik unseres Verbündeten USA ist unter einem Präsidenten Donald Trump beängstigend unberechenbar geworden. In dieser Zeit brauchen wir den Zusammenhalt Europas nötiger denn je. Aber: Die europäische Idee ihrerseits steht unter Beschuss von rechts und links. In Teilen Osteuropas werden europäische Verfassungswerte in Frage gestellt. Der Brexit kennt nur Verlierer. Es geht am 26. Mai um die Europäische Union. Um eine Union, die mehr ist als nur eine praktische und kostengünstige Wohngemeinschaft im europäischen Haus.
Wo kommen wir her? Ein Blick auf die Gedenktage unserer Zeit erscheint mir hilfreich: 2018 begingen wir 100 Jahre Ende des 1. Weltkriegs. 2019 begehen wir 80 Jahre Beginn des 2. Weltkriegs. 2020 begehen wir 150 Jahre Beginn des Deutsch-Französischen Krieges. In vielen Kriegen, auch in den Jahrhunderten davor, war unsere niederrheinische Heimat das Aufmarschgebiet für die verschiedensten europäischen Armeen. Erst nach dem blutigsten dieser Kriege, dem von Hitler-Deutschland angezettelten 2. Weltkrieg gelang es weitsichtigen Politikern wie Robert Schuman und Konrad Adenauer, den jahrhundertelangen Teufelskreis aus Demütigung und Revanche zu durchbrechen. Wir sind Partner, wir sind Freude geworden in Europa. Besonders augenfällig wird dies leider erst in Zeiten des Unglücks und der Trauer. Das gilt für die großen Terroranschläge der vergangenen Jahre wie für den Brand in der französischen Kathedrale Notre-Dame de Paris vor wenigen Wochen.
Gleichwohl darf man die Europäische Union nicht idealisieren. Es gibt in Europa mehr als genug zu tun: Mehr Innovation statt Reglementierung. Nicht nur Datenschutz, sondern mehr Grenzschutz. Und nicht nur Regeln setzen, sondern sie dann auch durchsetzen, wie etwa bei der Flüchtlingsfrage. Das alles sind schwere Aufgaben für das neue EU-Parlament und die neue Kommission.
Aber es geht am 26. Mai auch um etwas noch Wichtigeres: um ein Votum für die europäische Idee von Frieden, Freiheit und Wohlstand. Versäumen wir nicht, dieses Votum abzugeben!
Es grüßt Sie herzlich!
Ihr Mann in Berlin
Dr. Günter Krings
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