Krings-Kolumne: Mit Leben Füllen

03.03.2019

Historische Jubiläen sind eine gute Gelegenheit für das Erinnern und das Vergleichen: In diesen Monaten blicken wir 100 Jahre zurück und erinnern an die Ereignisse, die unser Land so grundlegend veränderten. Die Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg ging mit dem Zusammenbruch der alten Ordnung einher. Die Revolution fegte das Kaiserreich hinweg und bahnte der Weimarer Republik den Weg. Die Dramatik dieser Umwälzungen ist für uns heute kaum nachvollziehbar, haben wir doch allenfalls die friedliche Revolution in der DDR 1989/90 miterlebt.

In Berlin konnte ich vergangene Woche geneinsam mit Mitarbeitern des Innen- und des Justizministeriums ein Symposium zu „100 Jahre Weimarer Reichsverfassung“ in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften veranstalten und eröffnen. Dabei ging es nicht nur um die historische Einordnung der ersten demokratischen Verfassung unseres Landes, die sich in der Wirklichkeit beweisen musste. Wir haben uns auch die grundlegende Frage gestellt, wann Verfassungen gelingen.

Eine Verfassung ist weit mehr als ein juristisches Regelwerk, stellt sie doch im Idealfall einen Anker für die Identifikation des Einzelnen mit unserem Gemeinwesen dar. Einen Anker, der es dem Einzelnen erlaubt, als Verfassungspatriot stolz auf dieses freiheitliche und demokratische Gemeinwesen zu sein.

Was sind nun die „Lehren von Weimar“? Der Weimarer Reichsverfassung fehlte es sicher nicht an demokratischer Substanz. Sie war nicht missglückt, aber leider glücklos. Die neue Ordnung wurde von weiten Teilen der Gesellschaft allenfalls äußerlich hingenommen. Die Weimarer Republik scheiterte als Demokratie, die einfach zu wenig Demokraten besaß. Eine Demokratie braucht aber ein positives Bewusstsein für den Wert ihrer Verfassung. Das gilt auch heute für uns, auch für unser Grundgesetz. Wir alle sind aufgerufen, unsere Verfassung mit demokratischem Leben zu füllen.

 

Es grüßt Sie herzlich!

Ihr Mann in Berlin

Dr. Günter Krings