Krings-Kolumne: Eine Frage der Kultur

06.11.2022

An kaum einem Ort ist der Wandel in der deutschen Geschichte so dicht nachzuvollziehen wie am Berliner Stadtschloss. Über Jahrhunderte diente es als Residenz der Kurfürsten, Könige und Kaiser aus dem Haus Hohenzollern. Die DDR ließ 1950 das Stadtschloss sprengen und baute an seiner Stelle den Palast der Republik. Nach der Wiedervereinigung entschied sich der Bundestag für einen Abriss des asbestbelasteten Gebäudes und für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, der vollständig aus privaten Spenden ermöglicht wurde. Heute beherbergt das Stadtschloss mit dem Humboldt Forum eine Begegnungsstätte der Kulturen.

Nun ist das Berliner Stadtschloss wieder Gegenstand einer Kontroverse. Es geht um die Inschrift der Kuppel, welche von preußischen König Friedrich Wilhelm IV. aus Bibelzitaten zusammengestellt wurde. Diese Inschrift möchte die grüne Kulturstaatsministerin im Rahmen eines Kunstprojektes mit LED-Technik unkenntlich machen lassen. Sie meint einen Gegensatz zwischen den Bibelworten und unserer Demokratie zu erkennen. Zum Ruf des Muezzins in Köln, der auch öffentlich für eine Religion wirbt, habe ich von hier hingegen bislang nichts Kritisches gehört. Ja, auch religiöse Inhalte darf man kritisieren - aber warum sind manche nur bei den christlichen so besonders streng?

Ich meine, ganz generell ist es keine gute Idee, das künstlerische oder kulturelle Schaffen anderer für eigene politische Botschaften zu missbrauchen. Wenn selbsternannte Klima-Aktivisten Kunstwerke in Museen attackieren, geht es ihnen nur um maximale Aufmerksamkeit - um jeden Preis. Ich möchte, dass unsere Museen offene und lebendige Orte bleiben und nicht zu Hochsicherheitstrakten werden. Auch Klimaschutz gelingt nur mit Kultur - angefangen mit einer Debattenkultur. Und das bedeutet, dass auch ein guter Zweck nicht jedes Mittel heiligt.

 

Es grüßt Sie

Ihr Mann in Berlin

Dr. Günter Krings