Krings-Brief vom 17. Januar 2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
immer häufiger erfahren wir von Beschimpfungen, aber auch von tätlichen Attacken und teils brutalen Anschlägen gegen Lokalpolitiker. Henriette Reker, die Oberbürgermeisterin von Köln, entrann 2015 nur knapp dem Tod; einen Tag vor ihrer Wahl stach ihr ein fanatisierter Rechtsradikaler in den Hals. Andreas Hollstein, Bürgermeister der Stadt Altena, wurde 2017 von einem aufgebrachten Flüchtlingshasser ebenfalls ein Messer in den Hals gestochen. Bürgermeister Christoph Landscheidt aus meiner niederrheinischen Heimat ist ebenfalls betroffen. Solche Angriffe beschränken sich nicht auf Kommunalpolitiker. Auch Landes- und Bundespolitiker werden zur Zielscheibe von Hass und Gewalt wie in dieser Woche die Schüsse auf das Wahlkreisbüro meines Bundestagskollegen Karamba Diaby zeigen.
Der traurige Höhepunkt dieser schlimmen Entwicklung ist der feige Mordanschlag auf Dr. Walter Lübcke im Juni 2019 – nicht der erste Mord aus der rechtsextremen Szene, aber der erste Mord von offenbar Rechtsextremen an einem deutschen Politiker seit dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland!
Unser Rechtsstaat ist in besonderem Maße auf diejenigen angewiesen, die täglich für Sicherheit, Ordnung und Recht sorgen. Insbesondere Polizeibeamte werden immer wieder Ziel von gewalttätigen Angriffen. Respektlosigkeiten, Pöbeleien und sogar körperliche Gewalt gehören inzwischen zur polizeilichen Alltagserfahrung.
Diejenigen, die Tag für Tag ihren Kopf für unser aller Sicherheit hinhalten, haben Anspruch darauf, dass die Politik ihnen den Rücken stärkt. Bereits 2017 haben wir mit dem Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften die Strafdrohung für Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte bei jeder Diensthandlung auf bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafte verschärft.
Mit der aktuellen Umsetzung des von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmenpakets zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität werden wir gezielt auch den Schutz von Kommunalpolitikern verbessern. Nicht mehr nur hauptamtliche Abgeordnete, sondern auch Kommunalpolitiker sollen künftig vor übler Nachrede und Verleumdung durch die verschärfte Strafdrohung geschützt werden.
Stärkung der Organspende
Ein Organspender allein kann bis zu sieben Leben retten. Dennoch schieben viele die Entscheidung, selbst einmal Organspender zu sein, auf – oftmals aus Angst vor Missbrauch oder im Glauben, gar nicht als Spender in Frage zu kommen. Der Bundestag hat gestern darüber abgestimmt, wie Deutschland in Zukunft mit Organspendern umgeht.
Dabei standen zwei Vorschläge zur Auswahl: Eine Initiative von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sah vor, eine doppelte Widerspruchslösung einzuführen. Demnach sollte jeder ein Organspender sein, der dem nicht in einem Register oder seinen Angehörigen gegenüber widersprochen hat. Der zweite – erfolgreiche – Antrag beinhaltet eine Zustimmungslösung, bei der potenzielle Organspender regelmäßig daran erinnert werden sollten, ihre Entscheidung in einem Register zu dokumentieren.
Nach dem Gesetzentwurf zur doppelten Widerspruchslösung gilt jede Person als Organ- oder Gewebespender, es sei denn, es liegt ein zu Lebzeiten erklärter Widerspruch oder ein der Organ- oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille vor. Mit der doppelten Widerspruchslösung wären die Bürgerinnen und Bürger daher angehalten, sich mit dem Thema Organ- oder Gewebeentnahme auseinanderzusetzen und dazu eine Entscheidung zu treffen. Anders als bei der bisherigen Entscheidungslösung hätte eine nicht abgegebene Erklärung dazu geführt, dass eine Organ- oder Gewebeentnahme zulässig ist, soweit die sonstigen Voraussetzungen für eine Organ- oder Gewebeentnahme erfüllt sind. Um eine größere Rechtssicherheit mit Blick auf die Dokumentation einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende zu erlangen, hätte es mit Einführung der doppelten Widerspruchslösung eines Registers bedurft, in dem die Bürgerinnen und Bürger ihre Erklärung zur Organ- oder Gewebespende eintragen lassen könnten. Der vom Krankenhaus als auskunftsberechtigt benannte Arzt wäre gesetzlich verpflichtet, durch eine Anfrage bei dem Register festzustellen, ob eine Erklärung des möglichen Organ- oder Gewebespenders zur Organ- oder Gewebeentnahme vorliegt. Entscheidend wäre der Wille des möglichen Organ- oder Gewebespenders. Bei Personen, die nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeutung und Tragweite einer Organ- oder Gewebespende zu erkennen und ihren Willen danach auszurichten, wäre eine Organ- oder Gewebeentnahme grundsätzlich unzulässig.
Mit deutlicher Mehrheit wurde gestern aber für den zweiten Gesetzentwurf – die sogenannte Zustimmungslösung – gestimmt. Mit den hier vorgesehenen Regelungen sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass mehr Menschen sich mit der Frage der Organ- und Gewebespende auseinandersetzen und dazu eine informierte Entscheidung treffen, die dokumentiert wird. Den Bürgerinnen und Bürgern soll es möglich sein, ihre Entscheidung möglichst einfach zu dokumentieren und jederzeit zu ändern und zu widerrufen. Hierzu wird eine Stelle eingerichtet, bei der die Bürgerinnen und Bürger eigenständig eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende abgeben können. Diese Erklärungsabgabe soll auch direkt vor Ort bei den für die Ausstellung und die Ausgabe von Ausweisen zu-ständigen Stellen des Bundes und der Länder (Ausweisstellen), mit Ausnahme der Passstellen der deutschen Auslandsvertretungen, möglich sein. Zur Unterstützung und entsprechenden Aufklärung der Bevölkerung werden die Aufklärungsuntererlagen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entsprechend erweitert werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Einbeziehung der Hausärztinnen und Hausärzte in die Beratung zur Organ- und Gewebespende.
Die gestrige Debatte zu diesem Thema war sehr ausführlich, denn über alle Fraktionsgrenzen hinweg haben die Abgeordneten sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich selbst habe dazu gestern im Deutschen Bundestag die folgende persönliche Erklärung zu Protokoll gegeben:
„Nach reiflicher Überlegung stimme ich heute im Deutschen Bundestag für den Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsfreiheit. Wie die meisten meiner Kollegen habe ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Nach vielen Zuschriften und zahlreichen Gesprächen u.a. mit Medizinern, Ethikern und Betroffenen komme ich zu dieser Abwägung.
Ich will die Bereitschaft, sich für eine Organspende zu entscheiden, stärken, damit todkranken Menschen künftig ausreichend Spenderorgane zu Verfügung stehen. Die Frage der Bereitschaft, nach dem eigenen Hirntod seine Organe anderen Menschen zu spenden, ist aber von solch höchstpersönlicher Qualität, dass hier ein Schweigen aus meiner Sicht nicht ohne weiteres als Zustimmung gewertet werden kann.
Mir ist außerdem klar geworden, dass der wichtigste Schlüssel zu mehr Organspenden nicht im Verfahren der Zustimmung, sondern in organisatorischen Verbesserungen insbesondere in den Krankenhäusern liegt. Hier hat das Gesundheitsministerium gerade in letzter Zeit unter dem Bundesminister Jens Spahn sehr viele Maßnahmen initiiert. Sowohl der heute vorliegende Gesetzentwurf zur Widerspruchslösung als auch der von mir favorisierte Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsfreiheit sehen in dieser Hinsicht eine weitere Verbesserung durch die Schaffung eines zentralen Registers zur Erfassung aller Organspender vor. All diese Verbesserungen müssen nun positiv wirken.
Auch in der Notwendigkeit, todkranken Menschen - wenn erforderlich - durch eine Organspende zu helfen, sehe ich eine grundsätzliche ethische Verpflichtung. Sollten die jüngst und heute beschlossenen organisatorischen Verbesserungen keine Erhöhung der Organspenden bewirken, muss der Bundestag meiner Überzeugung nach über die Frage des Zustimmungsverfahrens erneut beraten. Auch ich würde dann für mich eine erneute Abwägung der ethischen Fragen vornehmen.“
Kinder im Internet besser schützen
Heute ist es uns ferner gelungen, ein lang verfolgtes Gesetzesvorhaben zu realisieren und im Bundestag zu verabschieden: Die Einführung der Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings. Damit stärken wir die Ermittler und verhindern in der Folge viele weitere Straftaten. Es waren CDU und CSU, die dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag verankert haben, um Kinder im Internet künftig besser zu schützen.
Zwar ist das Cybergrooming, also das gezielte Ansprechen von Kindern im Internet zur Anbahnung sexueller Kontakte, bereits jetzt strafbar. Der Straftatbestand greift bisher jedoch dann noch nicht, wenn der Täter lediglich glaubt, mit einem Kind zu chatten, tatsächlich aber mit einem Elternteil oder einem Polizeibeamten kommuniziert. Das ändern wir nun, um Ermittlern die Möglichkeit zu geben, Straftäter zu überführen oder Straftaten zu verhindern. Täter dürfen die Anonymität des Internets nicht länger skrupellos nutzen, um dadurch Kontakt zu Kindern aufzunehmen.
In der zurückliegenden Legislaturperiode war dieses wichtige Anliegen vom Bundesjustizministerium und unserem Koalitionspartner immer abgelehnt worden, obwohl aus der Praxis eindeutig der Wunsch nach einer solchen Regelung kam. Eine Änderung des betreffenden Paragraphen im Strafgesetzbuch zur Einführung der Versuchsstrafbarkeit beim Cybergrooming war seit langem überfällig. Wir müssen jede vernünftige Möglichkeit nutzen, um Kinder vor Gefahren im Internet zu schützen.
Zudem ermöglichen wir Polizeibeamten einen Ermittlungszugang ins „Darknet“. Die Foren, in denen Kinderpornographie getauscht wird, verlangen zumeist, dass die Nutzer in regelmäßigen Abständen ihre „Vertrauenswürdigkeit“ unter Beweis stellen, indem sie selbst kinderpornographisches Material hochladen. Bislang würden sich Ermittler beim Veröffentlichen dieser sogenannten „Keuschheitsproben“ mit kinderpornographischem Inhalt selbst strafbar machen. Künftig wird den Ermittlern unter engen Voraussetzungen erlaubt, selbst einschlägiges Bildmaterial künstlich herzustellen und zu verbreiten – wobei es sich natürlich nur um computergenerierte und nicht um echte Fotos handeln wird. Wir geben der Polizei damit notwendige Befugnisse, die sie zur Ermittlung der Täter brauchen in der digitalen Welt.
Herzliche Grüße
Ihr Günter Krings
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