
Mit der Einführung eines sogenannten „Chancen-Aufenthaltsrechts“ will die Bundesregierung langjährig geduldeten Ausländern ermöglichen, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Der Gesetzentwurf zum sog. Chancen-Aufenthaltsrecht ist das erste von mehreren angekündigten Migrationspaketen, mit denen die Ampel das Migrationsrecht komplett umbauen will. Diese Vorhaben zeugen von einem Integrationsverständnis, das nicht mehr zwischen dem rechtmäßigen und unrechtmäßigen Aufenthalt unterscheiden will. Das geplante Chancen-Aufenthaltsgesetz der Bundesregierung ist faktisch eine Legalisierung des illegalen Aufenthalts trotz Ausreispflicht. Es stellt einen erheblichen Pullfaktor dar und ist aus mehreren Gründen abzulehnen:
Der Entwurf hat relevante Auswirkungen hauptsächlich für die Gruppe der Geduldeten, deren Identität vorwerfbar ungeklärt ist. Geduldete haben bereits jetzt die einfache Möglichkeit, eine Beschäftigung auszuüben und dadurch eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Geduldete dürfen regelmäßig nach drei Monaten mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit arbeiten, auch ohne Zustimmung spätestens nach einem vierjährigen Aufenthalt in Deutschland. Ein Geduldeter, der einer Beschäftigung nachgeht und für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, hat zudem bereits jetzt vielfach die Chance, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Eine sinnvolle Ausnahme gilt nur für Personen, die nicht offen mit der eigenen Herkunft umgehen. Die zumutbare Mitwirkung bei der Passbeschaffung ist eine gesetzliche Pflicht. Dieses Gesetz belohnt die Falschen, nämlich die Ausreisepflichtigen mit vorwerfbar ungeklärter Identität. Die geltende Rechtslage baut den Ausreisepflichtigen mit ungeklärter Identität schon heute eine goldene Brücke in die Legalität, allerdings in der richtigen Reihenfolge: Sie wirken erst an ihrer Identitätsklärung mit und haben dann die Möglichkeit, Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu bekommen (§ 60b Abs. 4 AufenthG). Das Chancen-Aufenthaltsrecht führt diese sinnvolle Systematik ad absurdum.
Das Migrationspaket 1 der Ampel betrifft rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber, die ausreisepflichtig sind. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist rechtswidrig. In einem ersten Schritt soll jetzt der Aufenthalt von Ausreisepflichtigen legalisiert werden, die am 1. Januar 2022 bereits seit fünf Jahren in Deutschland sind. Sie sollen ein „Chancen-Aufenthalt“ für ein Jahr „auf Probe“ bekommen (Stichtagsregelung). Ein Stichtag zeigt jedoch gerade, dass man eine Regelung macht, die eigentlich nicht richtig ist.
In Zukunft sollen so auch Ausreisepflichtige nach deutlich kürzerer Zeit eine Aufenthaltserlaubnis bekommen und die Privilegien von „Jugendlichen“ bis zum Alter von 26 Jahren behalten. Nach dem Entwurf der Bundesregierung könnten „jugendliche“ Asylbewerber aus dem Asylverfahren direkt in eine Aufenthaltserlaubnis wechseln, unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens. Bisher galt dieses Privileg bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres; nach dem Willen der Ampel soll die Altersgrenze um sechs Jahre angehoben werden. Über die Hälfte der Asylbewerber fällt in diese „jugendliche“ Alterskategorie. Dies stellt eine dauerhafte Umgestaltung des Asylsystems dar. Mit diesem Vorhaben bleibt praktisch kaum noch eine Möglichkeit, die Ausreisepflicht umzusetzen.
Ich warne hier nochmals ausdrücklich vor diesem Vorhaben und vor Fehlanreizen im Asylsystem. Das Gesetz sendet das Signal aus: "Wer es geschafft hat, nach Deutschland zu kommen, wird auch bleiben. Unabhängig von Integrationsleistungen!“ Deutschland wird seinen humanitären Verpflichtungen mehr als gerecht und nimmt bei weitem mehr Flüchtlinge auf, als dies in Europa im Verhältnis zur Bevölkerungszahl angemessen wäre.
Viele abgelehnte Asylbewerber erhalten heute schon eine zweite Chance über Möglichkeiten der nachhaltigen Integration (§§ 25 a, b AufenthG) oder über die von uns eingeführte Ausbildungsduldung. Für die Union war es zu jeder Zeit wichtig, Humanität mit Ordnung und Steuerung zu verbinden. Die Ampel gibt in ihren verschiedenen Migrationspaketen jegliche Ordnung und Steuerung auf.
Empfehlen Sie uns!