75 Jahre Grundgesetz wie sieht der Sozialstaat der Zukunft aus?

31.05.2024
Pressemitteilung

Prof. Dr. Rainer Schlegel zu Gast in Mönchengladbach

75 Jahre Grundgesetz – ein stolzes Jubiläum, was im politischen Berlin, aber auch im ganzen Land in diesem Tagen gewürdigt wird. Der Mönchengladbacher Bundestagsabgeordnete Dr. Günter Krings (CDU) hat aus Anlass des Geburtstages unserer Verfassung einen Antrag erarbeitet und für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag eingebracht: „Als Union haben wir darin unsere Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass wir die parlamentarische Demokratie als einen Kern unserer Verfassung schützen. Angriffe von innen und außen lassen es heute wichtiger denn je erscheinen, das zu verteidigen, was die Mütter und Väter unserer Verfassung vor 75 Jahren geschaffen haben."

Günter Krings wollte im Zuge des Jubiläums aber auch eine zusätzliche Perspektive einnehmen, die der Mönchengladbacher Stadtgeschichte geschuldet ist: „Für unsere Heimatstadt ist, so denke ich, das Sozialstaatsprinzip ein besonders wichtiger Bestandteil des Grundgesetzes. Die Entstehung des Sozialstaats ist untrennbar verbunden mit der christlichen Arbeitnehmerbewegung. Mönchengladbach war das Herz der katholischen Soziallehre, hatte doch der Volksverein für das katholische Deutschland seinen Sitz in unserer Stadt. Und die katholische sozialwissenschaftliche Zentralstelle, wie auch der neue Volksverein, halten diese wertvolle Tradition lebendig.“ Konsequenterweise trug die Jubiläumsveranstaltung der CDU Mönchengladbach auch den Titel: „75 Jahre Grundgesetz – 75 Jahre Sozialstaat. Wie geht’s weiter?“ Zu Gast in Mönchengladbach war Prof. Dr. Rainer Schlegel, der von 2016 bis zum Februar diesen Jahres als Präsident das Bundessozialgericht geleitet hat. Gut 40 Interessierte waren ins Haus Erholung gekommen, um mit Rainer Schlegel und Günter Krings zu diskutieren.

In seinem Eingangsstatement würdigte Günter Krings den Sozialstaat als eine der größten Errungenschaften unserer Verfassungsordnung. Gleichwohl sei die Debatte über seine Ausgestaltung, so Krings, notwendiger denn je: „Die Entwicklung des Sozialstaats kannte bisher nur eine Richtung: mehr und höhere Leistungen. Inzwischen gibt Deutschland jeden dritten Euro für Soziales aus.“ Mit der Corona-Pandemie, spätestens aber seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wissen wir um den enormen Finanzierungsbedarf zahlreicher anderer Politikfelder. „Wir müssen wieder lernen zu unterscheiden,“ unterstreicht Krings, „wer wirklich Hilfe benötigt und wer nur einen Anschub braucht, um wieder Verantwortung für sich selbst und seine Angehörigen zu übernehmen. Auf diese Fragestellung müssen wir uns wieder fokussieren.“ Manchmal könne man, so Krings, einen durchaus gefährlichen Mentalitätswandel an bestimmten äußeren Kennzeichen erkennen: „Unter Bundeskanzler Schröder wurde das Bundesministerium für Arbeit und Soziale Ordnung umbenannt, seither trägt es die Bezeichnung Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Und diese Namensänderung suggeriert, dass es nicht mehr in erster Linie auf die Ordnungsprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ankommt. Man hat vielmehr den Eindruck, die Verteilung von Sozialleistungen stünde nunmehr im Mittelpunkt. Aus meiner Sicht ist das kein Wechsel zum Besseren.“

Rainer Schlegel betonte in seinem Vortrag, dass jeder für Transferleistungen verausgabte Euro zunächst erwirtschaftet werden müsse: „Inzwischen geben wir in Deutschland 30 % des Bruttoinlandproduktes für Soziales aus, der Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales umfasst 166 Milliarden Euro und macht 30 % des Bundeshaushalts aus. Die daraus resultierenden Fragen drängen sich geradezu auf: Was ist ‚nice to have‘? Und was ist wirklich unverzichtbar?“ Der ehemalige Präsident des Bundessozialgerichts warb für eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen Eigenverantwortung und Solidarität: „Wir müssen mehr Eigenverantwortung wagen. Dazu gehören jedenfalls strenge Bedürftigkeitsprüfungen für Empfänger von Sozialleistungen. Und bei Totalverweigerern braucht es dauerhafte Sanktionsmöglichkeiten. Anderenfalls lässt es sich aus meiner Sicht nicht rechtfertigen, von Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Solidarität einzufordern.“

Sehen Sie hier auch das Video dazu: https://youtu.be/7h6VvnCx6lQ