KringsBrief vom 7. Juli 2023
Sehr geehrte Damen und Herren,
heute endet die letzte Sitzungswoche des Bundestages vor der parlamentarischen Sommerpause. Traditionell ist diese Woche eine der geschäftigsten des Jahres, weil in der Regel viele Gesetzgebungsvorhaben, die in der ersten Jahreshälfte vorbereitet wurden, noch zum Abschluss gebracht werden sollen. Obwohl sich die Ampelkoalition bereits seit längerem mit dem Heizungsgesetz beschäftigt, liegt der finale Gesetzentwurf nach vielen und umfangreichen Änderungen erst seit vergangenem Freitag vor. Trotzdem wollte die Ampel-Koalition das Gesetz bereits heute im Bundestag verabschieden. Eine Woche ist aber nicht ausreichend, um sich ordnungsgemäß mit einem derart weitreichenden Gesetz und seinen kurzfristigen Änderungen auseinanderzusetzen. Mein Fraktionskollege, der Berliner Abgeordnete Thomas Heilmann hat daraufhin in dieser Woche per Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht den Stopp der Abstimmung noch vor der Sommerpause erwirkt.
Das Urteil aus Karlsruhe zum Heizungsgesetz ist eine schwere Niederlage für die Ampel. Dem schlechten Umgang der Bundesregierung mit dem Parlament, wofür es auch in den letzten Monaten schon viele Beispiele gab, wurde nun ein Riegel vorgeschoben. Das, was die Ampel bei der „Beratung“ des Heizungsgesetzes gemacht hat, ist der Versuch, ein Gesetz nach monatelangen Streitereien in der Koalition dann in wenigen Tagen durch den Bundestag zu drücken. Auch mit den Sachverständigen im Gesetzgebungsverfahren geht man so nicht um.
Guter Klimaschutz gelingt nur, wenn man alle mitnimmt und nicht mit dem Kopf durch die Wand will. Die Ampel wäre gut beraten, das Urteil aus Karlsruhe nun zum Umsteuern zu nutzen. Das verloren gegangene Vertrauen kann nämlich nicht mit dem Durchdrücken des jetzigen Gesetzentwurfes wieder hergestellt werden. Nicht nur im Verfahren, auch in der Sache braucht es einen grundlegend neuen Anlauf: Ein überzeugendes Gesamtkonzept mit der richtigen Reihenfolge von Wärmeplanungsgesetz, Fördergesetz und dann erst einem Heizungsgesetz.
Bundeshaushalt 2024 – Mehr Schein als Sein
Ähnlich turbulent wie das Heizungsgesetz verlief auch die Aufstellung des Bundesetats 2024. Ungewöhnlich spät im Jahr hat die Ampel nach monatelangem Streit am Mittwoch im Kabinett den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2024 und Finanzplan des Bundes bis 2027 beschlossen.
Die Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushalts 2024 summieren sich jeweils auf 445,7 Mrd. Euro, wobei eine Nettokreditaufnahme von knapp 16,6 Mrd. Euro vorgesehen ist. Damit zeigt sich, dass der vorgelegte Haushaltsplan und der Finanzplan bestenfalls auf „Kante genäht“ sind: Die nach Schuldenbremse erlaubte Nettokreditaufnahme 2024 wird nämlich vollständig ausgereizt. Zusätzliche finanzielle Spielräume für die Wünsche der Ampel-Koalition sollen zu Lasten künftiger Haushaltsjahre und Generationen, etwa durch die Auflösung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“ realisiert werden. Von einer klaren Prioritätensetzung oder Reformwillen fehlt jede Spur.
Besonders verwerflich finde ich hier die Vorschläge zur Streichung des Elterngeldes für „Besserverdienende“. Dieses Vorhaben geht an der Zielsetzung des Elterngeldes und an der Lebensrealität von Familien vorbei. Das von der Union eingeführte Elterngeld war die erfolgreichste Reform für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Instrument zur besseren Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Sollte die Ankündigung geltendes Recht werden, müssten sich vor allem viele Frauen zukünftig also wieder für Kind oder Karriere entscheiden oder werden in der Abhängigkeit vom Partner zementiert. Die Ampelkoalition vergisst bei allem Aktionismus, dass gerade die arbeitende Mittelschicht dazu beiträgt, den Sozialstaat Deutschland zu stemmen.
Der vorliegende Gesetzentwurf für den Bundeshaushalt 2024 ist auch im Übrigen „mehr Schein als Sein“. Die geringeren Zuschüsse für die Gesetzliche Krankenversicherung, die Gesetzliche Pflegeversicherung und die Gesetzliche Rentenversicherung („zusätzlicher Bundeszuschuss“) werden wohl zu Beitragserhöhungen für die Versicherten führen. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass das 2 %-NATO-Ziel erreicht werden wird. Die Ankündigung des Bundeskanzlers in seiner „Zeitenwende-Rede“ vom 27. Februar 2022, ab sofort 2 % für Verteidigung auszugeben und zusätzlich ein Sondervermögen für die Bundeswehr einzurichten, wird von der Realität des Bundeshaushalts aufgekündigt. Unklar bleibt auch, wie die angekündigten Personalaufstockungen finanziert werden sollen.
Von der im Koalitionsvertrag angekündigten Übernahme höherer Krankenversicherungskosten für Bürgergeldbezieher fehlt jede Spur. Für das Projekt „Kindergrundsicherung“ werden im Bundeshaushalt 2024 lediglich Mittel in Höhe von 100 Mio. Euro für Digitalisierung und ab 2025 eine jährliche Vorsorge von 2 Mrd. Euro eingestellt. Für die Ideen von Bundesministerin Paus dürfte dies vorn und hinten nicht reichen.
Trotz der Ankündigung, dass alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt und klare Prioritäten gesetzt wurden, ist der Bundeshaushalt wenig ambitioniert. Die wochenlang öffentlich heftig durch die Ampel diskutierten Einsparungen erreichen über alle Ressorts – mit Ausnahme des Bundesverteidigungsministeriums – gerade einmal ein Volumen von 3,5 Mrd. Euro und damit lediglich knapp 1 % des Haushaltsvolumens. Letztlich zeigen die vorliegenden Haushaltsplanungen angesichts der Rekordsteuereinnahmen klar, dass der deutsche Fiskus kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem hat. Doch statt dieses gezielt anzugehen, laviert sie sich auf Kosten der Steuerzahler durch. Mit einem Streit um geringe Sparbeträge und inhaltsleeren Ankündigungen eines Subventionsabbaus macht die Ampel sich unglaubwürdig.
Keine Einigung bei Sterbehilfe
Ungewohnte Ergebnisse gab es gestern bei der Abstimmung über die Gruppenanträge zur Suizid-Beihilfe: Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im Jahr 2020 entschieden hat, dass der bisherige § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Suizidhilfe generell unter Strafe stellt, als verfassungswidrig aufgehoben wird, haben sich Abgeordnete fraktionsübergreifend zu verschiedenen Gruppen als Antragsteller zusammengefunden. Keiner der beiden Anträge fand dabei eine Mehrheit. Somit bleibt diese Rechtsfrage weiterhin ungeregelt in Deutschland.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein Grundrecht auf Suizid und Suizid-Beihilfe geschaffen hat, sehe ich zwar kritisch, aber es muss die Basis und Grenze für unsere Bemühungen sein, die Suizid-Hilfe so zu regeln, dass wir möglichst viele lebensmüde Menschen zum Leben ermutigen. Deshalb war ich Mitunterzeichner des Antrags von Ansgar Heveling, Lars Castellucci und anderen.
Dass dieser Antrag zwar die meisten Stimmen erhalten hat, aber keine ausreichende Mehrheit bekam, bedaure ich sehr, denn er hätte der Begründung eines ‚Geschäfts mit dem Tod‘ in Deutschland Einhalt gebieten können. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 stellt klar, dass es für das dort postulierte Grundrecht auf Suizid auch Schranken geben kann. Denn das Recht auf selbstbestimmtes Sterben wirkt nicht absolut, es tritt vielmehr in Kollision zur Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das höchstrangige Rechtsgut Leben zu schützen.
Ich habe den Entwurf von Castellucci/Heveling unterstützt, gerade weil eine strafrechtliche Regelung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor möglich und auch richtig ist. Denn Schutz der Selbstbestimmung heißt Schutz von gefährdeten Gruppen, Schutz von denen, deren Selbstbestimmung gefährdet ist: psychisch Kranke; Menschen, die unter äußerem Druck stehen; Menschen in existenziellen Ausnahmesituationen. Der Schutz dieser Menschen kann nur mit Hilfe des Strafrechts effektiv gewährleistet werden, denn dieses bietet Grenzen und deren Überschreitungen werden geahndet.
Der Konkurrenzantrag einer Gruppe um Renate Künast u.a. enthielt ein aus meiner Sicht viel zu schwaches Schutzkonzept. Vor allem bliebe es aber folgenlos, wenn ein Arzt oder ein ‚Suizidverein‘ sich selbst über diese Regeln noch hinwegsetzen würde. Die jetzige Rechtslage ist aber kaum besser, weil Suizid-Hilfe nach Ablehnung unseres Antrags nun ohne Schranken und Schutzvorschriften erlaubt bleibt.
Einziger Lichtblick der gestrigen Debatte war daher ein (allerdings rechtlich unverbindlicher) Antrag zur Suizidprävention: Den gemeinsamen Antrag beider Gruppen mit dem Titel „Suizidprävention stärken“ nahm das Parlament mit 693 Ja-Stimmen bei einer Nein-Stimme und vier Enthaltungen an.
Ampel verweigert Untersuchungsausschuss
Ein weiterer, noch nie vorgekommener Präzedenzfall hat sich in dieser Woche ereignet: In einer Sondersitzung des Geschäftsordnungsausschusses am Dienstag hat die Ampel-Koalition unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Steuerskandal Scholz-Warburg abgelehnt, den wir als CDU/CSU-Fraktion bereits im April gefordert haben. Hintergrund: Das Agieren der Freien und Hansestadt Hamburg unter der Verantwortung des damaligen Ersten Bürgermeisters, späteren Bundesfinanzministers und jetzigen Bundeskanzlers Olaf Scholz in der Steueraffäre um die M.M.Warburg & CO Bank wirft schwerwiegende Fragen und Widersprüche auf.
Die Verweigerungshaltung der Ampel-Koalition ist ein einmaliger Vorgang in der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland. Die Ampel mit ihrer Mehrheit verweigert einer Minderheit ihr grundgesetzlich verankertes Recht. Erstmals entscheidet die Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestages gegen die Rechte der parlamentarischen Minderheit von mehr als einem Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Man kann nur vermuten, dass die Ampelkoalition ihrem eigenen Kanzler nicht traut, wenn er sagt, an den Vorwürfen gegen ihn in dieser Steueraffäre sei nichts dran. Warum sonst verweigern sie diesen Untersuchungsausschuss?
Sollte die erwartete endgültige Ablehnung erfolgen, werden wir weitere Schritte – inklusive einer Klage beim Bundesverfassungsgericht – unternehmen.
Morgen starten wir in die parlamentarische Sommerpause, so dass Sie in diesem Format aus Berlin voraussichtlich erst wieder im September von mir lesen. Ich bin aber traditionell in meinem Wahlkreis auf meiner alljährlichen Sommertour unterwegs, wo wir uns vielleicht persönlich sehen. Zudem können Sie meine Aktivitäten auf meiner Homepage (www.guenter-krings.de) und meinen Social Media-Kanälen verfolgen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer und gute Erholung!
Herzliche Grüße
Ihr Günter Krings
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