KringsBrief vom 29. April 2022

29.04.2022

Diesmal mit den Themen:
Waffenlieferungen für die Ukraine, Sofortprogramm für wirtschaftlichen Aufschwung, Probleme bei der Energiepreispauschale

 

KringsBrief vom 29. April 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

die wichtigste Entscheidung der letzten Sitzungswoche war der gestrige Beschluss im Bundestag zu dem gemeinsamen Antrag von Union und den Ampelparteien über eine umfassende Unterstützung für die Ukraine. Dies war auch für meine Fraktion und mich keine einfache Entscheidung, aber sie war notwendig und richtig. Denn zur Unterstützung gehört neben humanitären und finanziellen Hilfen sowie den wirtschaftlichen Sanktionen auch die Lieferung durchschlagskräftiger Waffen, um die uns die Ukraine zu ihrer Verteidigung gebeten hat. Denn beim Schutz von Frieden und Freiheit in Europa können wir die Ukrainer nicht alleine lassen. Es ist unsere moralische Pflicht, dazu beizutragen, diesen Angriffskrieg zu stoppen. Dazu zählen eine klare Linie und Entschlossenheit bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen und militärischer Ausrüstung. Nur wenn die Ukraine ihr Selbstverteidigungsrecht wirksam ausüben kann, kann die Suche nach einer diplomatischen Lösung überhaupt Erfolg haben.

Diesen Bundestagsbeschluss hätte es ohne die Initiative von CDU und CSU gar nicht gegeben. Gut und angemessen wäre es gewesen, wenn sich der Bundeskanzler dieser wichtigen Debatte nicht entzogen hätte. Dennoch ist der Beschluss ein starkes Signal der Verantwortung und der Geschlossenheit gegen den russischen Angriffskrieg.

Das „Sondervermögen für die Bundeswehr“ bewegt sich hingegen nicht von der Stelle. Der bisherige Vorschlag der Ampelkoalition für die Ausgestaltung bleibt hinter unseren Erwartungen zurück. Das 100-Milliarden-Paket muss so wirken, dass es die Bundeswehr langfristig stärkt und das Geld nicht für alle möglichen außenpolitischen Zwecke verwendet wird. Wir haben unsere sachorientierten Forderungen auf den Tisch gelegt: Die Verteidigungsausgaben müssen dauerhaft und unabhängig vom Sondervermögen auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen. Das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro muss ausschließlich für die Stärkung der Bundeswehr verwendet werden. Vor Verabschiedung des Sondervermögens muss klar sein, was mit dem Geld für die Bundeswehr erreicht wird. Das Beschaffungswesen muss grundlegend geändert werden. Und: Wir brauchen auch einen Tilgungsplan für die zusätzlichen Schulden.


Wir brauchen jetzt Maßnahmen gegen die drohende Rezession.

Inflation, Energiepreise und Nahrungsmittelknappheit machen das Leben der Menschen in unserem Land immer teurer. Von Monat zu Monat werden die Wirtschaftszahlen und auch die Stimmung in Wirtschaft und Gesellschaft schlechter. Wir erleben Preissteigerung, die es in Deutschland seit 40 Jahren nicht gegeben hat. Auch unsere Wirtschaft in Deutschland hatte schon einfachere Zeiten: Erst Corona, nun der Russland-Ukraine-Krieg. Die deutsche Wirtschaft trägt die Sanktionen geschlossen mit. Das ist ein gutes und starkes Zeichen. Denn die wirtschaftlichen Auswirkungen sind massiv spürbar: eingeschränkte Geschäftstätigkeiten, hohe Energiepreise, Lieferschwierigkeiten, Rohstoffknappheit oder Personalengpässe. Auch im alltäglichen Leben: Ob an der Zapfsäule, bei der Strom- und Heiz-rechnung oder beim Einkauf im Supermarkt.

Es zeichnen sich schwere Zeiten ab, eine ernsthafte Wirtschaftskrise droht. Die Bundesregierung muss jetzt mit einem Gesamtkonzept gegensteuern, sonst riskiert sie Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand. Bisher wurden Ankündigungen nicht umgesetzt. Die Anhebung von Transferleistungen, wie sie die Bundesregierung in dieser Woche auf den Weg bringt, genügt nicht. Wir brauchen stattdessen Lösungen, die für das ganze Land funktionieren und nachhaltig wirken. Neben der Kostenbelastung für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze muss auch die wuchernde Bürokratie zurückgedrängt werden. Als wenn nichts passiert wäre, arbeiten sowohl die Bundesregierung und auch die Europäische Union stattdessen an neuen Belastungen, Auflagen, Berichtspflichten. Wir brauchen jetzt ein Belastungsmoratorium. Nur so kann die Wirtschaft wieder auf die Beine kommen und hochwertige Arbeitsplätze gesichert bzw. neu geschaffen werden.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat deshalb ein Sofortprogramm vorgelegt, das Unternehmen und Beschäftigte entlasten und Rahmenbedingungen verbessern soll. Denn jetzt braucht es Maßnahmen, die rasch die Liquidität der Unternehmen und das Geschäftsklima verbessern. Dazu gehört beispielsweise ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz, das Melde- und Aufbewahrungsfristen sowie Bearbeitungsfristen für Ausfuhrkontrollen verkürzt und ggf. durch eine Genehmigungsfiktion ersetzt. Wir fordern außerdem die Einführung von Gründerschutzzonen mit einer weitgehenden Befreiung von bürokratischen Vorschriften in den ersten beiden Jahren nach Gründung und verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten, beispielsweise Turboabschreibungen oder auch die realitätsnähere Ausgestaltung der veralteten Abschreibungstabellen der Finanzverwaltung. Flexible arbeitsrechtliche Regelungen, wie z.B. eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit, eine Absenkung der Steuer- und Abgabenlasten bei den Energiekosten, und konkrete Unterstützung der Unternehmen bei der Fachkräftegewinnung auch im Ausland sind wirksame strukturelle Maßnahmen und setzen Impulse für einen nachhaltigen Aufschwung.

Die bisher beschlossenen Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung kommen zwar, aber zu langsam, zu spät und sind zu wenig zielgerichtet. Zudem setzen SPD, Grüne und FDP Partikularwünsche durch, schaffen aber kein Maßnahmenpaket aus einem Guss. Immer neue Regulierungen und Belastungen nehmen gerade den kleinen und mittleren Unternehmen die Luft zum Atmen. Die Zahl der jungen Menschen, die sich selbstständig machen und Unternehmer werden wollen, verharrt auf niedrigem Niveau. Der Facharbeitermangel ist zur Wachstumsbremse geworden.

Unser umfassendes Sofortprogramm muss Auftakt für ein Gesamtkonzept struktureller Verbesserungen der Rahmenbedingungen sein, die durch die Wirtschaftsweisen und die großen Institute bereits vor Corona angemahnt wurden. Wir brauchen keine Krisenverwaltung, sondern mehr Dynamik von Innovationen und Wachstum. Es geht um nicht weniger als Made in Germany als technologisches Zukunftsversprechen.


Das Energie-Entlastungspaket ist eine Wundertüte mit bösen Überraschungen.

In dieser Woche ist hat das Bundeskabinett das Energie-Entlastungspaket bestehend aus Energiepreispauschale, Familienzuschuss und 9 Euro-Ticket beschlossen. Vor allem bei der geplanten Auszahlung der Energiepreispauschale sehen wir aber noch eine Vielzahl von Problemen. Dies haben auch die Sachverständigen in der Anhörung am vergangenen Montag weit überwiegend bestätigt:

1. Rentnerinnen und Rentner erhalten grundsätzlich keine Energiepreispauschale: Die Ampel begründet dies mit ‚kurzfristig und drastisch gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen‘ für Er-werbstätige. Diese Begründung überzeugt nicht, weil auch alle Berufstätigen die Pauschale erhalten, die in Laufnähe von ihrem Arbeitsplatz entfernt wohnen. Im Koalitionsbeschluss vom 24. März 2022 hieß es noch, dass die Pauschale ‚weitere Härten im Bereich der Energiepreise abfedern‘ solle.

2. Bis September würde aber noch viel Zeit bleiben, sich ebenfalls einen Auszahlungsanspruch zu sichern: Es reicht aus, dass zum Beispiel ein Rentner einmal im Jahr 2022 eine Stunde auf seinen Enkel aufpasst und dafür von seinen Kindern 12 EUR Mindestlohn erhält. Das gilt natürlich auch für jeden Vermieter, der von seinen Immobilien lebt oder jeden Großaktionär, der von seinen Investments lebt.
Die Beschlüsse der Ampelregierung ermutigen bzw. „zwingen“ also zu sehr merkwürdigen Konstruktionen. Sie sind kein Beitrag zur Leistungstransparenz oder Rechtsklarheit.

3. Die Energiepreispauschale kommt zu spät: Der Anspruch zur Auszahlung der 300 EUR entsteht erst zum 1. September 2022. Da hat die nächste Heizsaison bereits begonnen.

4. Minijobber erhalten die Energiepreispauschale nicht vor Mai 2023: Minijobber in privaten Haushalten erhalten die Energiepreispauschale noch später. Sie müssen laut der Ampel-Pläne eine Steuererklärung abgeben, typischerweise zum ersten Mal. Sie werden in die Veranlagung gezwungen. Deshalb könnten viele geringfügig Beschäftigte sie auch nicht bekommen. 2020 gab es etwa viereinhalb Millionen Minijobber in Deutschland. Typischerweise trifft es Frauen, da 87% der Minijobber in privaten Haushalten Frauen sind und als Reinigungskräfte oder Babysitter arbeiten. Auch ist die Abgabe der Steuererklärung grundsätzlich erst nach dem 31. Dezember 2022 möglich. Jedoch können die Finanzämter mit der Bearbeitung der Steuererklärungen typischerweise nicht vor Mitte März beginnen. Die Bearbeitungszeit einer Steuererklärung dauert circa acht Wochen.

5. Einkommensschwache Selbständige erhalten die volle Energiepreispauschale auch erst Mitte Mai 2023: Grundsätzlich sollen Selbständige die Energiepreispauschale auch im September erhalten. Reicht die Einkommensteuervorauszahlung jedoch nicht aus, so müssen die Selbständigen ebenfalls eine Steuererklärung abgeben und erhalten den vollen Betrag erst circa Mitte Mai 2023. Von den ca. vier Millionen Selbständigen sind rund 2,23 Millionen Solo-Selbständige mit zum Teil geringen Einkünften und geringen Steuervorauszahlungen.

6. Viele Arbeitgeber müssen Energiepreispauschale vorstrecken: Arbeitgeber verrechnen die Energiepreispauschale mit der Lohnsteuer, die sie für den Arbeitnehmer an den Fiskus abführen. Reicht die Lohnsteuerschuld in einem Monat nicht aus, wird dem Arbeitgeber die Lohnsteuer vom Finanzamt erstattet. In Deutschland verdienen ca. 50 % der Arbeitnehmer weniger als 2.500 EUR brutto im Monat und zahlen weniger als 300 EUR Lohnsteuer im Monat. Wann die ausbezahlte Energiepreispauschale erstattet wird, ist unklar.

7. Ministerium rechnet mit außerordentlichem Umsetzungsaufwand: Laut Entwurf: ‚… ist mit einmaligen, sehr umfangreichen Mehrbelastungen durch zusätzliche Veranlagungen auch durch entsprechende Gestaltungen, sowie vermehrte Anfragen und ggf. Rechtsbehelfe zu rechnen. Diese Mehraufwände sind nicht quantifizierbar. Auch hinsichtlich des Verfahrens der Festsetzung der Vorauszahlungen ggf. durch gesonderte Bescheide ist zum jetzigen Zeitpunkt keine Quantifizierung möglich. Zur Festsetzung und Auszahlung der Energiepreispauschale nach §§ 115 ff. EStG entsteht für die IT-Umsetzung in der Steuerverwaltung der Länder einmaliger Umstellungsaufwand der derzeit nicht bezifferbar ist. Da für diesen Aufwand weder eine haushalterische Vorsorge getroffen wurde, noch eine Berücksichtigung in den Planungen für die betroffenen IT-Verfahren erfolgen konnte, wird eine Umsetzung nur zu Lasten anderer, ebenfalls prioritärer Aufgaben möglich sein.‘
Die Auszahlung von 300 EUR führt auch zu unverhältnismäßigen Bürokratiekosten für Unternehmen. Schon die Verwaltung kann nicht genau vorhersagen, wie groß der Umsetzungsaufwand ist. Das gilt erst recht für die Arbeitgeber: Sie müssen die Lohnsteuervorauszahlungen von 40 Millionen Arbeitnehmern anpassen, die geänderten Vorauszahlungsbescheide prüfen und kommen gegebenenfalls in Liquiditätsschwierigkeiten.

Fazit: Nachbesserungen sind nötig und dringend! Das Paket muss unkompliziert dort ankommen, wo es hin muss – bei jenen, die Inflation und stark steigende Energiekosten besonders treffen. Unterstützung brauchen Menschen, die trotz Arbeit ihren Lebensunterhalt kaum aus eigener Kraft bestreiten können, kaum Rente beziehen bzw. gar kein Einkommen haben. Der vorliegende Entwurf schafft nichts davon. Stattdessen werden Rentner, Minijobber und Studenten im Stich gelassen: für Menschen in Existenznot ist das ein völlig falsches, verantwortungsloses Signal.

Herzliche Grüße

Ihr Günter Krings